Lioba Schlösser

(Un)Sichtbarkeit im Kinofilm
Transgressive Momente als Sichtbarmachung des Abjekts

„Es gibt immer eine Grenze, auf die sich das Wesen einstellt. Es identifiziert diese Grenze mit dem, was es ist. Entsetzen fasst es bei dem Gedanken, daß die Grenze zu existieren aufhören könnte. Aber wir täuschen uns, wenn wir die Grenzen und das Einverständnis des Wesens mit ihr ernst nehmen. Die Grenze ist da, um aufgehoben zu werden.“  [1]

Der Vortrag thematisiert das Abjekt, das abstoßende Andere, das über die Leinwand immer wieder Eingang in die Öffentlichkeit findet. Er widmet sich der Frage, welche Möglichkeiten und Gefahren mit dem Tabubruch solcher Darstellungen einhergehen. Alle Thesen werden filmanalytisch an Beispielszenen aus den Filmen TRANSCENDENCE (2014), WHEN ANIMALS DREAM (2014), SPLICE (2010), EYES WIDE SHUT (1999) und ORLANDO (1992) evaluiert.
Der Vortrag verortet sich diskursanalytisch im Spannungsfeld zwischen Kultur- und Geschlechterwissenschaften (Butler), Filmanalyse (Stiglegger), Performativitätstheorien (Wulf/Fischer-Lichte) und Mythentheorien (Eliade/van Gennep/Turner). Er untersucht, wie im Film thematisierte Tabubrüche von transgressiven Strukturen (Bataille) durchzogen werden und mimetisch angelegte, gesellschaftliche Normen repräsentieren (Bourdieu). Darstellungen des Abjekts werden im Hinblick auf den Moment der Transgression, der filmisch oft nicht sichtbar ist, analysiert. Jene Augenblicke, in denen der Tabubruch nicht gezeigt wird, weil das Visualisieren selbst einen Tabubruch darstellen würde, stehen im Mittelpunkt. Abschließend soll herausgestellt werden, mit welchen Strategien Filme abjekte Inhalte dennoch zugänglich machen. Neben der Nutzung der Sensationslust der Zuschauenden scheinen weitere, komplexere Strategien angewandt zu werden, die es zu entschlüsseln gilt.

[1] Bataille, Georges (1994): Die Erotik. Mathes & Seitz, München: 139.

Lioba Schlösser

Kurzbiografie:
Doktorandin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz schreibt an ihrem Dissertationsprojekt mit dem Arbeitstitel „Perspektiven filmischer Überwindung der bipolaren Geschlechternorm durch Rückgriffe auf mythisches Potenzial“. Studierte Literatur-,
Kultur- und Medienwissenschaft sowie der Medienkultur mit Schwerpunkt Filmwissenschaft und Geschlechterwissenschaften an der Universität Siegen. Momentan als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der DEKRA Hochschule für Medien in Berlin beschäftigt. Aktuelle Forschungsschwerpunkte liegen auf kulturtheoretischen Betrachtungen des Androgynen in Film und Mythos, Queerstudies, Geschlechterwissenschaften und Körpertheorie.

Publikationen:
Schlösser, L. (2017). „Denn meine Schmach vermag zu tragen außer mir kein Sterblicher“:
Zum Tod des Queeren als gesellschaftsbildendes Opfer. Ohne Ort. Abgerufen von
http://www.ffk-journal.de/?journal=ffk-journal&page=article&op=view&path%5B%5D=27,
Zugriff am 23.07.2017.
Schlösser, L (2017). Mythos und Lückenschluss: Mythen als Vermittler innerhalb filmischer
Diegese. Ohne Ort. Abgerufen von http://www.ffk-journal.de/?journal=ffkjournal&page=article&op=view&path%5B%5D=8, Zugriff am 23.07.2017.