Nora Lehner

Die Diskursivierung der weiblichen Sexualität im Sexualratgeber „Das Geschlechtsleben des Weibes“ (1901) von Anna Fischer-Dückelmann (Arbeitstitel) 

Die vorliegende Arbeit erforscht Strategien der Sagbarmachung der weiblichen Sexualität in einem Sexualratgeber der Jahrhundertwende, welcher von einer der ersten deutschen Ärztinnen verfasst wurde und von 1900 bis 1919 verlegt wurde.  
Um die Jahrhundertwende, eine Zeit des gesellschaftlichen Um- und Aufbruches, treffen drei zeitgenössische Phänomene aufeinander: erstens wird Sexualität im Zuge der Sittlichkeitsdebatte zu einem zunehmend öffentlich thematisierten Thema, zudem kommt es aufgrund eines starken Orientierungsbedürfnisses in der Gesellschaft zur vermehrten Publikation von ratgebenden Schriften, welche sich zunehmend an ein weibliches Publikum wenden. Drittens werden Frauen zum Medizinstudium zugelassen und können mit ihren Publikationen erstmals, ausgestattet mit einer ärztlich-autoritären Stimme, zum Sittlichkeitsdiskurs beitragen. Der Forschungsarbeit liegt der Annahme zugrunde, dass sich die Schnittmenge dieser zeitgenössischen Phänomene in einem Frauensexualgeber der Jahrhundertwende, welcher von einer der ersten Ärztinnen verfasst wurde, verdinglichte. Exemplarisch wird „Das Geschlechtsleben des Weibes. Eine physiologisch-soziale Studie mit ärztlichen Ratschlägen“ (1901) der Ärztin Anna Fischer-Dückelmann analysiert.  
Fokus der Diskursanalyse ist es zu erforschen, wie Fischer-Dückelmann über das aus moralischen und gesetzlichen Gründen im öffentlichen Diskurs tabuisierte Thema Sexualität schreibt. Dabei wird von der Arbeitshypothese ausgegangen, dass Fischer-Dückelmann verschiedene diskursive Strategien anwendet um das Thema sagbar zu machen. Zudem wird ausgehend von dem Sexualratgeber der Raum des Sagbaren um 1900 konzipiert und eruiert, welche Aussagen sich davon abgeleitet für den Sexualitätsdiskurs der Jahrhundertwende im Allgemeinen treffen lassen. Ausgehend vom historischen Kontext wird die Primärquelle mithilfe eines multimethodischen Ansatzes analysiert, wobei Aspekte der Diskursanalyse nach Achim Landwehr, der Begriffsgeschichte nach Reinhart Kosellek sowie der Biographieforschung kombiniert werden.  

Nora Lehner

Nora Lehner
nora.lehner@gmx.at
Geschichte/Englisch LA; Niederländisch BA
 
Nora Lehner hat 2014 ihr Bachelorstudium Niederländisch mit einer Arbeit über die Rolle des Zweiten Weltkrieges in der niederländischen Erinnerungskultur abgeschlossen und arbeitet momentan an ihrer Diplomarbeit über Sexualitätsdiskurse in einem Sexualratgeber der Jahrhundertwende. Ihre Forschungsinteressen liegen in der Frauen- und Geschlechtergeschichte, der Sexualitätsgeschichte im deutschsprachigen Raum sowie der Biografieforschung und, bedingt durch ihre Arbeitserfahrung an der Gedenkstätte Mauthausen, in der Musealisierung und holocaust education.