Gastarbeiterinnen im Spannungsverhältnis zwischen kollektiver und individueller Erinnerung
2014 und 2016 jährten sich die Abschlüsse der Anwerbeabkommen Österreichs mit der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien zum 50. Mal. Obwohl Debatten um ,Menschen mit Migrationshintergrund‘ omnipräsent sind, ist die Geschichte der ,Gastarbeit‘ bislang wenig im kollektiven Gedächtnis Österreichs verankert. Aus einer intersektionellen Forschungsperspektive fällt ins Auge, dass insbesondere Arbeitsmigrantinnen von diesem Ausschluss betroffen sind. Die Rolle von ,Gastarbeiterinnen‘ wird in Geschichtsbüchern oder Ausstellungen wenig thematisiert. Zudem wird etwa durch das Bild der ,Pionierin der Moderne‘ auf stereotype Repräsentationsmuster zurückgegriffen. Ein Drittel der Arbeitskräfte aus dem ehemaligen Jugoslawien machten Frauen aus. Für sie ist diese eurozentrische Zuschreibung besonders unzutreffend, da diese Frauen aus einem sozialistischen Land kamen. In den 60er und 70er Jahren waren sie deshalb ungleich stärker in den Arbeitsmarkt integriert, als dies in Österreich der Fall war. Die These meiner Masterarbeit lautet, dass solche eurozentrischen Repräsentationsmuster Mechanismen mächtiger Diskurse sind, die Migrantinnen als unemanzipierter darstellen als ,einheimische Frauen‘ und ihnen marginalisierte Diskurspositionen zuweisen.
Durch autobiografische Interviews mit Frauen, die als Arbeitsmigrantinnen aus dem ehemaligen Jugoslawien kamen, sollen bislang wenig gehörte weibliche Stimmen in diesen Diskurs um Geschichte und Erinnerung eingebracht werden und den wirkmächtigen Repräsentationen etwas entgegensetzen. Die Beschäftigung mit marginalisierten Positionen erfordert eine Reflexion der Machtmechanismen, in die die Forschung eingebunden ist, um nicht wiederum Ausschlüsse und Repräsentationen zu vollziehen. Deshalb verbinde ich meinen biografischen Zugang mit Adele Clarkes Situationsanalyse, um die Reflexion machtvoller Praktiken und insbesondere meine eigene Verortung darin, methodisch in der eigenen Arbeit zu verankern.
Franziska Strasser
Internationale Entwicklung und Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Zu meinen Schwerpunkten in meinen Studien zählen Migrationsgeschichte, Bildung im Kontext von Flucht und Migration sowie Fragen rund um den Kulturdiskurs in Integrationsfragen.