Das Verhältnis von „Israelkritik“ und Antisemitismus
Wissenssoziologische Diskursanalyse einer Forschungskontroverse in Deutschland und Großbritannien
Die Kontroverse über die Unterscheidbarkeit von antiisraelischen bzw. „israelkritischen“ Handlungen einerseits und antisemitischen andererseits wurde vor dem Hintergrund einer vielerorts anzutreffenden Abneigung gegen Israel besonders heftig geführt, auch in der Antisemitismusforschung. Im Zuge der Diskussionen um einen „Neuen Antisemitismus“ in Europa werden immer wieder konkrete Kriterien des israelbezogenen Antisemitismus formuliert, besonders prominent die „Working Definition of Antisemitism“ des European Union Monitoring Center on Racism and Xenophobia. Die hier genannten Beispiele für israelbezogenen Antisemitismus jedoch z.T. umstritten. Das Forschungsinteresse entspricht einer wissenssoziologchen „Beobachtung der Beobachter“. Mittels einer qualitativen Diskursanalyse wird untersucht, welche Besonderheiten das wissenschaftliche Wissen über aktuellen Antisemitismus auszeichnet. In die Analyse wurden deutsche und britische Forschungsarbeiten einbezogen, weil über Antisemitismus in besonderem Maße in diesen beiden Ländern diskutiert wird und weil ein maximaler Kontrast zwischen beiden Diskursen zu erwarten ist. Es wurde ein Korpus von 99 wissenschaftlichen Arbeiten der Erscheinungsjahre 2003 bis 2017 erstellt, welche die Kriterien für die Unterscheidung von Kritik an Israel und Antisemitismus diskutieren. Im Anschluss wurden abgrenzbare Diskurspositionen identifiziert. An ausgewählten Texten wurde eine Feinanalyse durchgeführt, wobei insbesondere die Deutungsmuster, Phänomenstrukturen und Klassifikationen betrachtet wurden: Was wird als Problem identifiziert? Welche Begriffe werden zur Beschreibung des Problems verwendet? Was wird als normativ illegitim klassifiziert? Auf die gewonnenen Erkenntnisse zurückgreifend wurde abschließend der gesamte Diskursstrang untersucht. Die Darstellung erfolgt anhand ausgewählter Ergebnisse, wobei der Schwerpunkt auf den Abweichungen der beiden Diskurse liegen wird, die auf nationalspezifische Diskursverläufe verweisen.
Kai Schubert
Studium der Politikwissenschaft und der Judaistik/Jüdischen Studien (B.A. 2014) sowie der Interdisziplinären Antisemitismusforschung (M.A. 2017) in Berlin und Potsdam. Von 2015 bis 2017 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für die Fachdidaktik der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsinteressen: Antisemitismus, Rassismus und Antiziganismus, Islamismus, Debatten über Vorurteile, Kritische Theorie, Methoden der Vorurteilsforschung.
Veröffentlichungen: „Judentum und Holocaust in sozialistischen Erinnerungskulturen. Ein Vergleich der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien mit der SBZ/DDR“, in: Studentische Fachzeitschrift für Politikwissenschaft (2017) 1, S. 45-57; „Feindbilder des Nationalsozialismus. Ein Vergleich von modernem Antisemitismus und Antiziganismus als projektiver Identifizierung“, in: Passauer Journal für Sozialwissenschaften 5 (2016) 2, S. 62-75.
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