Lilly Valerie Kroth

Warum ist das Geheimnis gesellschaftskonstitutiv?
Eine Auseinandersetzung mit Geheimnis, Nichtwissen und ihren gesellschaftlichen Funktionen in Georg Simmels „Das Geheimnis und die geheime Gesellschaft“

Wie sehr Geheimhaltung einzelnen Personen wie auch der Öffentlichkeit und Gesellschaften schaden kann, hat der Missbrauch von Macht durch Wissen in der Geschichte gezeigt. Das Nicht-Offenlegen von Information kann ein drastisches Mittel darstellen, um Korruption und Ausschluss zu kultivieren und Wissen eigennützig zu verwenden. Transparenz ist vor allem in einer Gesellschaft, die stark durch Daten und Informationen reguliert wird, ein brisantes Thema. Das Geheimnis hat heute aus guten Gründen einen eher schlechten Ruf – ganz nach dem Motto „Wer nichts zu verheimlichen hat, hat auch nichts zu befürchten“ wächst Transparenz zu einem gesellschaftlichen Grundwert heran. 

Ein wichtiger Denker des Geheimnisses ist der Philosoph und Soziologe Georg Simmel [1858-1918], der in der Transparenzdebatte von heute immer noch vielfach zitiert wird. In seiner 1908 erschienenen Soziologie unterscheidet er Formen des Geheimnisses und beleuchtet ihren gesellschaftlichen Stellenwert in mikro- wie in makrosoziologischer Hinsicht. Anhand von Simmels Grundlagentext versuche ich der Frage „Warum sind Geheimnisse gesellschaftlich unvermeidbar und sogar wünschenswert?“ nachzugehen, Teilaspekte zu systematisieren und mögliche Parallelen zur heutigen Situation ziehen. Der zentrale  Begriff des Vertrauens als einem Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen erstreckt sich für Simmel nicht nur auf den „kleinen“ Kreis einer privaten Sphäre, sondern auch auf den „großen“ Kreis einer Öffentlichkeit – ein Punkt, der ein starkes Gegengewicht zum „Transparenzdogma“ unserer Zeit bietet.

Lilly Valerie Kroth 

© Ina Aydogan

Studienrichtung: Philosophie 
Forschungsinteressen: Wirtschaftstheorie, Theorien des Öffentlichen, Ästhetik, Kunst

lilly.kroth@gmx.de