Kreative Zerstörungswut
Am Beispiel der als “Uni-Ferkelei” bekannt gewordenen Aktion “Kultur und Revolution” der Künstlergruppe “Wiener Aktionist*en” vom 9. Juni 1968 sollen gesellschaftliche Liberalisierungsprozesse der 1960er- bis in die 1980er-Jahre aufgezeigt werden. Anhand von vielfältigen Reaktionen und Reaktanzen (u.a. Berichterstattung, Leser*innenbeteiligung, Aktenverläufe, Bildmaterial, Videoaufzeichnungen) können einerseits die Disposition zu gesellschaftlichen Reformen, andererseits der Stand der Diskurse und die Dynamiken der Liberalisierung ermittelt werden. Gefragt wird also nach dem Wandel medialer, gesellschaftlicher und politischer Handlungen gegenüber einer radikalen Kritik an gängigen gesellschaftlichen Strukturen.
Für die Arbeit gilt es zu erfassen, wie Medien im sozialen und kulturellen Leben verwoben waren und wie gesellschaftliche Ordnung mittels Medien organisiert und (um-)gestaltet wurde. Daher gelten Gesellschafts- und Medientheorien um die Entwicklung von Skandalen, die öffentlich verhandelt werden, als wesentlich (etwa Bergmann/Pörksen 2009), aber ebenso historiographische Überlegungen (siehe u.a. Debord 1996, Foucault 1978, Lyotard 1979), die es ermöglichen, diese subkulturellen Strömungen im Zusammenspiel mit gesellschaftlichen Handlungen (dazu z.B. Berger/Luckmann 2010, Raunig/Wuggenig 2005, Schatzki 1996) zu verstehen.
Der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Nick Couldry legt nahe, dass die Beobachtung von “Medienpraktiken”, der “media rituals”, generell Aufschlüsse über die Rolle von Medien im sozialen Gefüge der Gesellschaft zulässt. Rhythmen, Peaks und Passagezeiten gesellschaftlicher Wertevorstellungen, Tabus und Dynamiken des „Zeitgeistes“ können so verdeutlicht werden, da gerade die Beschäftigung mit Normbrüchen das gesellschaftliche Regelwerk offenlegt. Das demokratiepolitische und partizipatorische Potential von österreichischer Protestkultur kann somit in den Blick genommen werden. Im Sinne des Forschungsinteresses soll daher nach den Entwicklungen der “media rituals” als soziale Handlungen gefahndet werden, die um radikale Künstler*innen entstanden sind.
Christina Krakovsky, christina.krakovsky@gmail.com, Doktorandin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft/Franz Vranitzky Chair for European Studies
Forschungsinteressen: Historische Kommunikationsforschung, politische und soziale Partizipation, Subkulturforschung