Im Affekt…:
Fokussierte Ethnographie von Arbeitsvermittlungspraxis im institutionellen Kontext – Zwischen affektiver Selbstführung und widerständigen Praktiken
Der einst nach dem Weber’schen Bürokratiemodell aufgebaute öffentliche Sektor hat sich seit den 1990er-Jahren in Richtung eines wettbewerbsorientierten Dienstleistungsbetriebs verändert. Obrigkeitsstaatlichkeit, BürgerInnenferne und vorgebliche Ineffizienz wurden zusehends zum Gegenstand öffentlicher Kritik, während umgekehrt im Zuge von New Public Management (NPM) auch KundInnenfreundlichkeit der staatlichen Verwaltung eingefordert wurde. Genau an diesen Verschiebungen der institutionellen und normativen Ausrichtung des öffentlichen Sektors setzt mein Beitrag an. Die Re-Organisation staatlicher Verwaltung unter dem Leitbild des New Public Management (NPM) betrachte ich als Ausdruck einer neuen Regierungsweise – mit Michel Foucault, dem theoretischen Gewährsmann meiner Untersuchung gesprochen – als Ausdruck der „neoliberalen Gouvernementalität“. Gefühle bzw. Affekte, so möchte ich zeigen, spielen bei dieser Regierungsweise eine besonders wichtige Rolle. Mein Forschungsinteresse gilt daher insbesondere dem Gefühlsmanagement der staatlichen Akteure und ausgehend von einer street-level-Perspektive (Lipsky 1980/2010) analysiere ich anhand eines qualitativen Methodenmix, wie das Aktivierungsparadigma als machtförmige Strategie auf das Selbstverhältnis der ArbeitsvermittlerInnen wirkt und darauf abzielt, diese zu „StaatsunternehmerInnen“ und zugleich zu „ UnternehmerInnen ihrer selbst“ zu machen. Mein besonderes Interesse gilt dabei der Umsetzung der organisationalen Anforderungen durch die Beschäftigten, der Rolle und Funktion ihrer affektiven Arbeit und den möglichen widerständigen Praktiken, welche in ihrer täglichen Beratungspraxis zu Tage treten. Theoretisch rekurrieren ich auf das Konzept der affektiven Arbeit, bei dem – im Gegensatz zu Hochschilds Konzeption der Emotionsarbeit – nicht nur eine entfremdende, sondern auch eine solidarisierende Dimension dieser neuen Arbeitsqualität gedacht werden kann. Das Paper fragt daher auch nach Solidarisierungspotenzialen und widerständigen Praktiken der ArbeitsvermittlerInnen im Prozess der Arbeitsberatung.
Miriam Gaitsch
Myriam Gaitsch lehrt und forscht seit April 2013 am Institut für Politikwissenschaften der Universität Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Sozialpolitik und staatliche Transformationsprozesse, Gouvernementalitätsstudien, Organisationssoziologie, Affekt- und Geschlechterforschung.