„Zum Flüchtling wurde ich erst in Europa“
Eine re- und dekonstruktive Analyse der Flüchtlingskategorie
Den Ausgangspunkt der qualitativen Studie bildet der gegenwärtige öffentliche, mediale und politische Diskurs über globale Flucht- und Migrationsphänomene in Europa. Innerhalb dieses narrativen Machtraumes der Fremdpositionierung wird der Flüchtling als soziales sowie politisch-rechtliches Gebilde erst hervorgebracht und dabei als Täter oder Opfer stigmatisiert. Die Perspektiven und Erzählungen geflüchteter Menschen selbst werden im Zuge dieser Meta-Erzählungen weitgehend unsichtbar gemacht. Dieser konventionellen Betrachtungshaltung entgegen plädiert das Forschungsprojekt für eine alternative – kontrapunktische (Edward Said 1994) – Perspektive, die die komplexen Erfahrungsräume und (Über-)Lebensstrategien geflüchteter Menschen zum Ausgangspunkt nimmt. Ziel ist es, das dichotome Konstrukt der Flüchtlingsfigur (Täter/Opfer) aufzubrechen und eine akteursbezogene Perspektive einzuführen, die spezifischen Lebenswirklichkeiten, Handlungsstrategien und Verortungspraxen geflüchteter Menschen ins Zentrum rückt. Hierfür wurden bereits 8 teilbiographische Interviews geführt, die einen ersten Einblick in eben jene Strategien ermöglichen.
Folglich basiert das Dissertationsvorhaben auf einem doppelten strategischen Vorgehen, das einerseits gesellschaftliche Konstruktionsprozesse der Flüchtlingskategorie dekonstruiert, indem das dahinter stehende Rezeptwissen und etablierte Machtverhältnisse offengelegt werden. Dieses wird unteranderem durch den Einbezug postkolonialer Theorien und diskursanalytischer Überlegungen möglich. Zum anderen werden im Sinne einer kontrapunktischen Leseart, die marginalisierten Stimmen und Erfahrungen geflüchteter Menschen selbst sichtbar gemacht und privilegiert. Dadurch ist es möglich, das Feld der Migration und Flucht radikal neu zu denken und als eine gesellschaftsbewegende und gesellschaftsbildende Kraft zu verstehen.
Frauke Schacht MA
PhD Erziehungs-und Bildungswissenschaften – Betreuer: Prof. Dr. Erol Yildiz
Forschungsinteressen: kritische Fluchtforschung, Europäisches Grenzregime, Postkoloniale Theorien
Berufserfahrung: Seit 2014 Obfrau des Vereines FLUCHTpunkt (Hilfe-Intervention-Beratung für Flüchtlinge)