„Aber wenn er nicht betrunken is, is er eh ganz lieb“ –
Sinnhafte Orientierungsstrukturen von Jugendlichen beim (Mit-)Erleben des elterlichen Konflikts
Die epistemologische Grundausrichtung der Bachelorarbeit orientiert sich an einem (neo-) phänomenologisch-kulturphilosophischen Ansatz (Slunecko, 2008, 2017), der eine oppositionelle Alternative zum statistisch-naturwissenschaftlichen Hauptstrom der Psychologie darstellt und dafür appelliert, bei der Analyse einer sinnhaft verfassten Menschenwelt die Forschenden in den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess miteinzubeziehen. Den (meta-)theoretischen Rahmen bildet Pierre Bourdieus soziale Praxeologie mit dem theoretischen Schlüsselkonzept des habitus. Im Einklang mit dieser Denk- und Analysehaltung steht die Methodologie der rekonstruktiven Sozialforschung. Sie macht die Praxis und das Wissen der sozialen AkteurInnen zu ihrem Ausgangspunkt und rekonstruiert ausgehend davon jene (gesellschaftlich konstruierten) Sinnstrukturen, die das Handeln der AkteurInnen anleiten und orientieren (Riegler 2015, S. 63f). Mittels einer Narrationsanalyse von 5 biographisch-narrativen Interviews, die mit 14-jährigen Wiener MittelschülerInnen geführt wurden, wird der Frage nachgegangen, wie sich die sinnhaften Orientierungsstrukturen von Jugendlichen durch das (Mit-)Erleben des elterlichen Konflikts konstituieren. Die Arbeit basiert hierbei auf der Annahme, dass die kindliche Entwicklung und das Wohlbefinden von Jugendlichen direkt und indirekt von dem Kontext abhängen, den die Beziehung der Eltern zueinander für das Sozialisationsklima bildet, und dass darin Faktoren wie einer chronischen Konfliktlage oder einer Trennung bzw. Scheidung eine große Bedeutung zukommt (Betram 2009, S. 183). Die Arbeit kommt mitunter zu dem Ergebnis, dass der elterliche Konflikt für die Jugendlichen eine Bedrohung der idealtypischen Vorstellung eines konfliktfreien Familienlebens darstellt. Beim Versuch einer ursächlichen Erklärung für den elterlichen Konflikt stützen sich die Jugendlichen auf widersprüchliche und reduktionistische Argumentationen, die sowohl oft eine starke Diskrepanz zu den praktischen Handlungen der involvierten AkteurInnen aufweisen, als auch die Tendenz, sich auf familienexterne Einflüsse zu beziehen.
Litertaturverweise:
Bertram, Hans & Birgit Bertram (2009) Familie, Sozialisation und die Zukunft der Kinder. Verlag Barbara Budrich: Opladen & Farmington Hills
Riegler, Julia (2015) Wenn Sex schmerzt. Biografische und soziale Genese einer sogenannten „Sexualstörung“. Psychosozial-Verlag: Gießen
Slunecko, Thomas (2017) Beobachtungen auf der eigenen Spur. Bemerkungen zu einem für die Wiener kulturpsychologische Schule charakteristischem Motiv. In: Kulturpsychologie in Wien. 1. Auflage, S. 27-55. facultas: Wien
Slunecko, Thomas (2008) Von der Konstruktion zur dynamischen Konstitution. Beobachtungen auf der eigenen Spur. 2. Auflage, facultas: Wien
Paul Distler
Mail: paul-distler@gmx.de
Studienrichtung: Soziologie (abgeschlossenes Bachelorstudium), Psychologie (3 Semester) jeweils an der Universität Wien
Forschungsinteressen: Körpersoziologie, kritische Theorie, Pierre Bourdieu, qualitative Methoden