Julian Ernst

Zwischen Hass und Gegenrede – 
Untersuchung medienkritischen Lernens Jugendlicher

Für Jugendliche in Deutschland ist YouTube das beliebteste Angebot online – für extremistische Akteur*innen bietet die Plattform ideale Möglichkeiten, ideologisch klar umrissene Sinnangebote zu präsentieren und Hass gegenüber bestimmten Gruppen und Personen niedrigschwellig einem breiten Publikum zu vermitteln. Zunehmend reagieren unterschiedliche Akteur*innen mittels audiovisueller Gegenbotschaften, in denen extremistische Thesen dekonstruiert oder etwa demokratische Gesellschaften beworben werden. Längst hat das Thema „Hass im Netz“ auch in pädagogischen Programmen, Materialien etc. Entsprechungen gefunden. Gemeinsam ist diesen pädagogischen Formaten, dass sie eine kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen von Hass im Netz anstreben, die ich in Anlehnung an den Medienkompetenzbegriff Dieter Baackes (1997) als medienkritisches Lernen bezeichne. Doch sowohl zur Medienkompetenz Jugendlicher im Allgemeinen als auch zur Facette der Medienkritik im Speziellen sind empirische Untersuchungen rares Gut.
An diese Ausgangssituation knüpft die im Entstehen begriffene Promotionsstudie an. Im Rahmen einer fokussiert-ethnographischen Studie (Knoblauch, 2001) wird die Frage bearbeitet, was und wie Jugendliche medienkritisch im Kontext von Hass im Netz lernen – und welche Implikationen sich für die praktische Präventionsarbeit von Pädagog*innen ergeben. Zu diesem Zwecke wurden während einer medienerzieherischen Präventionsmaßnahme über 80h Videomaterial von sozialen Interaktionen Jugendlicher aufgezeichnet. Eingesetzt wurden Körperkameras, mittels derer Einsichten in Kleingruppeninteraktionen Jugendlicher und ihrer Peers gewonnen werden konnten. Die Analyse orientiert sich an ethnomethodologischen Auswertungstechniken sowie Zugängen der Phänomenologie. Der Vortrag stellt Methodik der Untersuchung sowie deren theoretische Position näher dar.

Julian Ernst

Julian Ernst, Lehramtsstudium in Köln und Istanbul, ist Doktorand am Arbeitsbereich für Interkulturelle Bildungsforschung der Universität zu Köln und zur Zeit Gastwissenschaftler am Deutschen Jugendinstitut (DJI) in Halle an der Saale. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind didaktische Fragen interkultureller Bildung, medienpädagogische Praxis- sowie Peer- und Jugendforschung.

 

Mailadresse/n: Julian.ernst@uni-koeln.de/julianernst76@gmail.com

Josef Mühlbauer

Der basisdemokratische Widerstand – 
Intersektionaler Anarchismus in Zeiten neoliberaler Hegemonie anhand des Beispiels Rojava

 

Auf einer interdisziplinären Art und Weise, also ganz im Sinne der Cultural Studies, untersucht der Beitrag Der basisdemokratische Widerstand die Gesellschaftskonfiguration in Rojava (Nordsyrien). Dabei werden etwaige Herrschafts- und Machtverhältnisse, entlang von intersektionalen Kategorien wie z.B. „Race“, „Class“ und „Gender“ aufgedeckt. Gezeigt wird inwieweit gesellschaftliche Spannungsverhältnisse, mittels basisdemokratischer Konsensfindung und der Inklusion von Frauen und ethnische Minderheiten, friedlich entschärft wurden. Partizipatorische Elemente, welche in der realpolitischen Praxis vorkommen, wie unter anderem „Feminismus“ und „basisdemokratischer Konföderalismus“ dienen hierbei als realpolitische Alternative, jenseits neoliberaler Profitlogik und jenseits autoritärer Staatskonzepte. Der Beitrag geht somit über eine Policy-Analyse des kurdischen Gesellschaftsvertrages hinaus, stützt sich kombinatorisch auf empirische und theoretische Quellen von Murray Bookchin und Abdullah Öcalan und kann schlussendlich im Bereich des politischen Anarchismus eingeordnet werden.

Josef Mühlbauer

Mein Name ist Muehlbauer Josef, studierte evangelische Theologie und Philosophie in Wien und stehe kurz vor meinem Bachelorabschluss in Politikwissenschaften. Mein Forschungsinteresse befindet sich im Bereich der Politischen Theorie und im Bereich der Demokratietheorie. Neben dem Studium arbeite ich für das Varna Friedensforschungsinstitut (VIPR) und bin Mitglied in der anarchistischen Gewerkschaft (APC) in Bulgarien und dem „Wiener ArbeiterInnen Syndikat“ (WAS).

Luki Sarah Schmitz

Commons als konkrete Utopie? 

In meinem Dissertationsprojekt mit dem Arbeitstitel „COMMONS ALS DIALEKTISCHES VERHÄLTNIS“ möchte ich durch eine methodische wie methodologische Kombination von immanenter Kritik und Elementen narrationsanalytischer Verfahren der Frage nachgehen: Wie lassen sich die Ansätze der Commons in einem Spannungsfeld von gesellschaftlicher Emanzipation und neoliberal-kapitalistischer Affirmation verorten? Als Commons können Sozial- und Wirtschaftsformen definiert werden, die sich gegenwärtig, in vielfältiger Weise, als Ansatz für andere, nicht-kapitalistische Strukturen und Lebensformen zeigen. Ziel ist es mittels der Kollektivierung von Eigentum, allen Subjekten Zugang zu Ressourcen zu gewähren und die Bedürfnisse Aller befriedigen zu können. Gegenwärtig – und dies möchte ich bei der Tagung vorstellen – geht es darum den analytischen Betrachtungsrahmen zu spannen. Eine dabei zentrale Frage ist es, inwieweit Commons als Utopie, oder genauer als konkrete Utopie gefasst werden können? Commons können als prozesshafter Ansatz charakterisiert werden, mittels dessen aus der krisenhaften Gegenwart unmittelbar, durch konkrete Handlungen, eine andere Gesellschaftsstruktur aufbaut werden kann. Feministische Perspektiven auf Commons haben kritisch darauf hingewiesen, dass es nebst den materiellen Ressourcen auch um die immateriellen (Emotionen, Wissen) geht, sowie die Verteilung der anfallenden Arbeit (Care- und Reproduktionsarbeit). Zu reflektieren gilt es, ob Commons eine queer-feministische Utopie bedeuten kann. Inwiefern wird bei den Commons, nebst einem Bruch mit kapitalistischen Eigentumslogiken, auch ein Bruch mit patriarchalen, rassistischen, nationalistischen und heterosexistischen Strukturen mitgedacht und konzeptionell implementiert? In meinem Vortrag zeichne ich einen ersten analytischen Ankerpunkt nach. Dabei verdeutliche ich anhand des Materials zweierlei: Merkmals von Commons als konkrete Utopie und Momente der Skepsis, der Reflexion sowie der Kritik.

Luki Sarah Schmitz

Luki Sarah Schmitz lebt in Offenbach am Main und hat im Februar 2018 ein Promotionsstudium an der Goethe-Universität begonnen. Luki studierte Soziologie, Politikwissenschaften und Psychologie in Köln und Frankfurt am Main. Zentrale Forschungsinteresse sind, unter anderem, alternative Ökonomie, materialistische Feminismen sowie Utopietheorien.

Cristina-Estera Klein

Kollektive Gedächtnisse in neuen sozialen Medien:
Wenn auf Twitter ¡No pasarán! in der Form von #nopasaran erinnert wird.

Als im Juli 1936 in Spanien nationalistische und faschistische Fraktionen zusammen mit hochrangigen Militärs gegen die linke Regierung der zweiten Republik putschen, ruft Dolores Ibárruri, Parlamentsabgeordnete und Mitglied der Kommunistischen Partei mit den Worten ¡no pasarán! (dt.Ü. Sie werden nicht durchkommen!) zur Verteidigung der Republik auf. Ibárruri war nicht die Erste und nicht die Letzte, die mit diesen Worten zu einem Kampf aufrief. Bereits im Ersten Weltkrieg sollte mit dem Ausruf On ne passe pas! in der französischen Kriegspropaganda Wehrhaftigkeit im Stellungskrieg zum Ausdruck bringen. Britische Antifaschist_Innen mobiliserten 1936 mit They shall not pass! gegen die Britisch Union of Fascists zu mobilisieren. Sandinist_Innen griffen während der Nicaraguanischen Revolution Ende der 1970er Jahre auf die Parole zurück.
Noch heute wird der Ausruf in Widerstandsdiskursen verwendet. Beachtenswert ist, dass z.T. die spanische Version in fremdsprachigen Kontexten besteht bleibt.
Ausgehend von dieser Beobachtung, wurde die Verwendung der Parole ¡No pasarán! in Form des Hashtags #nopasaran in deutsch- und englischsprachigen Tweets untersucht. Die diskursanalytische Untersuchung ist als Fallbeispiel zu verstehen, das sich in theoretische Überlegungen zur medialen Konstituierung kollektiver Gedächtnisse, unter besondere Beachtung von Astrid Erll, einbettet. Dabei müssen sich mögliche historische Bezüge nicht nur auf den Spanischen Bürgerkrieg beschränken. Deshalb wurde ein möglichst explorativer Zugang zum Material gewählt, um einen Einblick in aktuelle Bedeutungen, diskursive Kontexte und Vergangenheitsbezüge in Zusammenhang mit dem Slogan zu bekommen. 

Cristina-Estera Klein


Mag. a Cristina-Estera Klein studierte Publizistik – und Kommunikationswissenschaft, Romanistik und Geschichte an der Universität Wien. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der medialer Gedächtnistheorie und -forschung, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Öffentlichkeit und Intersektionalität. Im Speziellen beschäftigt sie sich gerade theoretisch und praktisch mit Kulturvermittlung im öffentlichen Raum.

E-Mail: cristina-estera.klein@univie.ac.at

Lena Köpsell

Superheldinnen im Kampf gegen den Terror?
Zur Repräsentation kurdischer Frauen im US-amerikanischen Mediendiskurs nach 2013

Ob Superman, Spiderman oder Wonderwoman – an amerikanischen Superheld_innen mangelt es in den USA nicht. Doch als der Syrienkrieg ausbrach und der IS in Syrien und im Irak zu wüten begann, konstruierte die US-amerikanische Presse neue Superheldinnen: die Kurdischen Frauen.
Der in amerikanischen Medien geführte „War on Terror“-Diskurs orientierte sich bis dahin an der These „white men saving brown women from brown men“ (Spivak 1985) und prägte aus diesem Blickwinkel heraus die dominanten Narrative über Frauen im Nahen Osten.
Seit der Gründung der kurdische Frauenmiliz YPJ in Syrien 2013 ändert sich dieses Narrativ zunehmend. Besonders in US-amerikanischen Medien werden kurdische Frauen aus dem Nahen Osten frenetisch für ihren „feministischen Kampf“ gegen den ISIS gefeiert.
Im Zuge meiner Masterarbeit analysiere ich 37 Artikel aus US-amerikanischen Tageszeitungen auf die Frage hin, wie Kurdinnen in der Berichterstattung dargestellt werden und in welche Diskurse die Repräsentation kurdischer Frauen in Nahen Osten verwoben sind. Mit Hilfe einer feministischen kritischen Diskursanalyse untersuche ich Machtverhältnisse in diskursiven Formationen. Militär als Gendered Institution (Acker 1992) betrachtend, prüfe ich wie normative Geschlechterzuschreibungen in der Berichterstattung reproduziert werden und wie sich dies und die Diskursverschränkungen auf die Konstruktion des Selbstbilds der USA auswirken.

Referenzen:
Acker, J. (1992). Gendered Institutions. From Sex Roles to Gendered Institutions. Contemporary Sociology, 21, 565-569.
Spivak, Gayatri (1985). „Can the Subaltern Speak? Speculations on Widow Sacrifice“. Wedge 7-8 (Winter-Spring 1985), 120-30.


Lena Köpsel

Lena Köpsell (lena.koepsell@gmail.com) studierte Politikwissenschaften in Hamburg und Istanbul sowie Global Studies in Leipzig, Santa Barbara und Wien. Lena beschäftigt sich vor allem mit antikolonialen feministischen Narrativen im Nahen Osten in der Geschichte und der Gegenwart. Neben ihrem Studium arbeitet sie als freie Journalistin.

Miriam Gaitsch

Im Affekt…:
Fokussierte Ethnographie von Arbeitsvermittlungspraxis im institutionellen Kontext – Zwischen affektiver Selbstführung und widerständigen Praktiken

Der einst nach dem Weber’schen Bürokratiemodell aufgebaute öffentliche Sektor hat sich seit den 1990er-Jahren in Richtung eines wettbewerbsorientierten Dienstleistungsbetriebs verändert. Obrigkeitsstaatlichkeit, BürgerInnenferne und vorgebliche Ineffizienz wurden zusehends zum Gegenstand öffentlicher Kritik, während umgekehrt im Zuge von New Public Management (NPM) auch KundInnenfreundlichkeit der staatlichen Verwaltung eingefordert wurde. Genau an diesen Verschiebungen der institutionellen und normativen Ausrichtung des öffentlichen Sektors setzt mein Beitrag an. Die Re-Organisation staatlicher Verwaltung unter dem Leitbild des New Public Management (NPM) betrachte ich als Ausdruck einer neuen Regierungsweise – mit Michel Foucault, dem theoretischen Gewährsmann meiner Untersuchung gesprochen – als Ausdruck der „neoliberalen Gouvernementalität“. Gefühle bzw. Affekte, so möchte ich zeigen, spielen bei dieser Regierungsweise eine besonders wichtige Rolle. Mein Forschungsinteresse gilt daher insbesondere dem Gefühlsmanagement der staatlichen Akteure und ausgehend von einer street-level-Perspektive (Lipsky 1980/2010) analysiere ich anhand eines qualitativen Methodenmix, wie das Aktivierungsparadigma als machtförmige Strategie auf das Selbstverhältnis der ArbeitsvermittlerInnen wirkt und darauf abzielt, diese zu „StaatsunternehmerInnen“ und zugleich zu „ UnternehmerInnen ihrer selbst“ zu machen. Mein besonderes Interesse gilt dabei der Umsetzung der organisationalen Anforderungen durch die Beschäftigten, der Rolle und Funktion ihrer affektiven Arbeit und den möglichen widerständigen Praktiken, welche in ihrer täglichen Beratungspraxis zu Tage treten. Theoretisch rekurrieren ich auf das Konzept der affektiven Arbeit, bei dem – im Gegensatz zu Hochschilds Konzeption der Emotionsarbeit – nicht nur eine entfremdende, sondern auch eine solidarisierende Dimension dieser neuen Arbeitsqualität gedacht werden kann. Das Paper fragt daher auch nach Solidarisierungspotenzialen und widerständigen Praktiken der ArbeitsvermittlerInnen im Prozess der Arbeitsberatung.

Miriam Gaitsch

Myriam Gaitsch lehrt und forscht seit April 2013 am Institut für Politikwissenschaften der Universität Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Sozialpolitik und staatliche Transformationsprozesse, Gouvernementalitätsstudien, Organisationssoziologie, Affekt- und Geschlechterforschung.

Christina Krakovsky

Kreative Zerstörungswut

Am Beispiel der als “Uni-Ferkelei” bekannt gewordenen Aktion “Kultur und Revolution” der Künstlergruppe “Wiener Aktionist*en” vom 9. Juni 1968 sollen gesellschaftliche Liberalisierungsprozesse der 1960er- bis in die 1980er-Jahre aufgezeigt werden. Anhand von vielfältigen Reaktionen und Reaktanzen (u.a. Berichterstattung, Leser*innenbeteiligung, Aktenverläufe, Bildmaterial, Videoaufzeichnungen) können einerseits die Disposition zu gesellschaftlichen Reformen, andererseits der Stand der Diskurse und die Dynamiken der Liberalisierung ermittelt werden. Gefragt wird also nach dem Wandel medialer, gesellschaftlicher und politischer Handlungen gegenüber einer radikalen Kritik an gängigen gesellschaftlichen Strukturen.

Für die Arbeit gilt es zu erfassen, wie Medien im sozialen und kulturellen Leben verwoben waren und wie gesellschaftliche Ordnung mittels Medien organisiert und (um-)gestaltet wurde. Daher gelten Gesellschafts- und Medientheorien um die Entwicklung von Skandalen, die öffentlich verhandelt werden, als wesentlich (etwa Bergmann/Pörksen 2009), aber ebenso historiographische Überlegungen (siehe u.a. Debord 1996, Foucault 1978, Lyotard 1979), die es ermöglichen, diese subkulturellen Strömungen im Zusammenspiel mit gesellschaftlichen Handlungen (dazu z.B. Berger/Luckmann 2010, Raunig/Wuggenig 2005, Schatzki 1996) zu verstehen.

Der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Nick Couldry legt nahe, dass die Beobachtung von “Medienpraktiken”, der “media rituals”, generell Aufschlüsse über die Rolle von Medien im sozialen Gefüge der Gesellschaft zulässt. Rhythmen, Peaks und Passagezeiten gesellschaftlicher Wertevorstellungen, Tabus und Dynamiken des „Zeitgeistes“ können so verdeutlicht werden, da gerade die Beschäftigung mit Normbrüchen das gesellschaftliche Regelwerk offenlegt. Das demokratiepolitische und partizipatorische Potential von österreichischer Protestkultur kann somit in den Blick genommen werden. Im Sinne des Forschungsinteresses soll daher nach den Entwicklungen der “media rituals” als soziale Handlungen gefahndet werden, die um radikale Künstler*innen entstanden sind.


 
Christina Krakovsky

Christina Krakovsky, christina.krakovsky@gmail.com, Doktorandin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft/Franz Vranitzky Chair for European Studies

Forschungsinteressen: Historische Kommunikationsforschung, politische und soziale Partizipation, Subkulturforschung