Zur ideologischen Anpassung der Psychoanalyse im Nationalsozialismus
Die Psychoanalyse war nicht nur eine der ersten Disziplinen, die sich mit dem Antisemitismus auseinandersetzte, sondern ist bis heute wohl eine der wichtigsten, um die subjektive Seite dieses Phänomens zu erfassen. Als aufklärerisches Projekt stellt sie außerdem eine genuin kritische Theorie dar.
Dennoch war die Psychoanalyse in Deutschland keineswegs davor gefeit in das politische System des Nationalsozialismus integriert zu werden. Nach der Arisierung, d.h. dem Zwangsausschluss der jüdischen Mitglieder, wurden die verbliebenen Psychoanalytiker_innen zusammen mit den Vertreter_innen der anderen psychotherapeutischen Schulen an das gleichgeschaltete Deutsche Institut für Psychotherapie und psychologische Forschung, das sogenannte Göring-Institut angegliedert. Dieses Institut wurde später von der Deutschen Arbeitsfront und anderen NS-Stellen finanziell gefördert und ab 1939 als kriegswichtig eingestuft. Während sich die Psychotherapie in jenen Jahren institutionalisieren und professionalisieren konnte, wurden für die Psychoanalyse einschneidende Veränderungen notwendig.
Der Vortrag geht der inhaltlich-ideologischen Anpassung an den NS nach und deckt dabei neben einer oftmals postulierten Professionalisierung der Psychotherapie in erster Linie Nützlichkeitsbekundungen und eine enorme Untergebenheit der verbliebenen arischen Analytiker_innen auf. Anhand der Originalschriften werden Revisionen und ideologische Anpassungen, die aus einer kritischen Theorie und eines Projekts der Aufklärung ihr Gegenteil machten, nachgezeichnet. Insbesondere Erhaltung und Erzeugung einer arbeitsfähigen und leistungsstarken Volksgemeinschaft war nun erklärtes Ziel. Ab 1938 wurden zudem vermehrt auch rassenhygienische Impulse deutlich.