Dem eurozentrischen Kanon widersprechen:
Skizzen zu Kolonialismus, Soziologie und Eurozentrismus
Émile Durkheim, Max Weber und Marcel Mauss begleiten Student*innen der Soziologie durch ihr Studium (vgl. Connell 2007: 4). Die kolonialen Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die die Arbeit dieser drei Figuren und die subsequente Institutionalisierung der Soziologie als eigenständige Disziplin im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert ermöglichten, geraten in der Rezeption jedoch nicht in den Blick. Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der kolonialen Geschichte bleibt aus (vgl. Steinmetz 2013: 1) und nicht-europäische, nichtmännliche Sichtweisen werden aus dem soziologischen Kanon verdrängt Eurozentrische
Perspektiven fanden und finden im von kolonialen Macht- und Herrschaftsverhältnissen bedingten institutionellen Rahmen der Soziologie also die geeigneten Bedingungen für ihre Entfaltung vor. Wissenschaftskritische Zugänge – insbesondere feministische und postkoloniale – prüfen Elemente positivistischer Ansätze dahingehend, wie die Ausblendung der sozialen Positionierung von Forscher*innen und Philosoph*innen die Reproduktion (kolonialer und patriarchaler) Macht- und Herrschaftsverhältnisse stützen kann.
Ausgehend von dieser engen Verstrickung zwischen Soziologie und Kolonialismus werde ich in meiner Präsentation weitere, vorläufige Rückschlüsse aus der Anerkennung der kolonialen Geschichte der Soziologie für den Eurozentrismusbegriff vorstellen. Zur Diskussion möchte ich dabei stellen: Inwieweit eröffnet die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Soziologie den Blick auf eine materielle Dimension des Eurozentrismus?Können von dieser Kritik ausgehend neue Perspektiven auf soziale Phänomene geworfen werden? Wie kann dem kolonialen Kern der Soziologie widersprochen werden?
Johannes Korak
Johannes Korak studiert im Master Internationale Entwicklung und Politikwissenschaft. Zurzeit setzt er sich in seiner Masterarbeit aus feministisch-postkolonialer Position mit den wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Wissenssoziologischen Diskursanalyse auseinander. Zu seinen Interessen zählen Wissenschaftstheorie und -kritik der Sozialwissenschaften, Entwicklungspolitik- und zusammenarbeit, Rassismus, Feministischpostkoloniale Theorie, Globale Gerechtigkeit und Internationale Beziehungen (IR). Erreichbar ist Johannes unter: jokorak@gmail.com