Immanente Kritik und Propaganda im Zeichen wissenschaftlicher Erkenntnis.
Eine Reflexion möglicher Widerstandspolitiken anhand der wissenschaftshistorischen und bildungsphilosophischen Überlegungen von Paul Feyerabend und Bertrand Russel.
Begreift man Wissenschaft systematisch mit Thomas Kuhn, dann bewegt sich der wissenschaftliche und universitäre Alltag auf gemeinsamen Grundannahmen, auf welchen aufbauend Forschung betrieben wird. Erkenntnisse, die gemeinhin als ‚revolutionär‘ bezeichnet werden, brechen jedoch aus diesen Paradigmata aus. In der Folge dieser Überlegung machte Kuhn bei solch revolutionären Entdeckungen Paradigmenwechsel aus (Vgl. Kuhn 2014). Diese Paradigmata einen auch die institutionellen Forschungsinstitutionen, welche sich heute beispielsweise durch Peer-Review Verfahren organisieren. Das Etablieren und Bekanntmachen innovativer Ideen – verstanden als neue Ideen, welche jedoch ihre Regeln von den geltenden Paradigmata ableiten – wird so bereits zur Herausforderung, die Durchlässigkeit ist hier gegeben, jedoch bereits anspruchsvoll (Vgl. Heinze et al. 2009).
Schwieriger wird es, wenn neue Überlegungen den Paradigmata der Normalwissenschaft widersprechen, wenn sie revolutionär im Sinne Kuhns sind. Eine mögliche Methode des Widersprechens ist, mit Paul Feyerabend gedacht, die der immanenten Kritik als Teil wissenschaftlicher Propaganda (Vgl. Feyerabend 2013). Diese Methodik findet man zu Teilen auch bei Albert Einstein wieder (Vgl. Bergia 1985). Propaganda zu Gunsten revolutionärer Gedankengänge erscheint somit durchaus probat und ist Bertrand Russel folgend die Methodik derjenigen, die in der Gegenwart oftmals auf Ablehnung stoßen, retrospektiv jedoch große Anerkennung finden (Vgl. Russell 1974). Dem zugrunde liegt ein plurales Erkenntnisverständnis und die Feyerabendsche Grundformel ‚Anything goes‘. Zu diskutieren gilt es nun, wie der Propagandabegriff von Feyerabend konkret zu fassen ist.
Bergia, Silvio (1985): Einstein und die Geburt der speziellen Relativität, in: Albert Einstein – Wirkung und Nachwirkung, Vieweg+Teubner Verlag: Wiesbaden.
Feyerabend, Paul Karl (2013): Wider den Methodenzwang, Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main.
Heinze, Thomas/Shapira, Philip/Rogers, Juan/Senker, Jacqueline (2009): Organizational and institutional influences on creativity in scientific research, in: Research Policy 38, 610-623.
Kuhn, Thomas S. (2014): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main.
Russell, Bertrand (1974): Erziehung ohne Dogma, Nymphenburger Verlagshandlung: München.
Simon Rettenmaier
Simon Rettenmaier studierte an der Universität Kassel Philosophie und Politikwissenschaft. Heute arbeitet er als Sozialpädagoge in der Erwachsenenbildung sowie als Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie der Universität Kassel, wo er auch zum Thema Bildungsphilosophie und Wissenschaftstheorie promoviert.
Kontakt: simon.rettenmaier@gmail.com