Heterophobie und (Dis)ableismus. Annäherung an ein Phänomen unter Beobachtung
Mein Dissertationsvorhaben kreist um ein häufig mit Begriffen aus der Familie der „Phobien“ beschriebenes Phänomen: die Reaktion mit Angst und/oder Ablehnung auf Menschen, die aufgrund vermeintlich anderer Fähigkeiten als anders oder fremd wahrgenommen werden. Als Beispiel werden die Studien zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (Heiterer, 2002) mit Konzept, Ergebnissen sowie Schlussfolgerungen der Autor_innen in Bezug auf abwertende Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderungen vorgestellt: Das Label „Menschen mit Behinderungen“ suggeriert Eindeutigkeit, obwohl es ganz unterschiedliche Assoziationen darüber wecken kann, was als bzw. an „Behinderung“ wahrgenommen wird, z.B. eine Subgruppe von Menschen mit ganz spezifischen Beeinträchtigungen.
Für eine nicht-tautologische Beschäftigung mit dem mich interessierenden Phänomen wird eine Betrachtung aus emotionssoziologischer Perspektive vorgeschlagen, welche neue Fragen aufwirft: Wenn sowohl Ausdruck als auch Gehalt von Emotionen historisch wandelbaren Normen unterliegen, lässt sich die Frage, warum Heterophobie zunehmend beobachtet wird, nicht einfach beantworten. Ob sich das Phänomen Heterophobie angemessen mit der Emotion Angst beschreiben lässt, kann ebenfalls hinterfragt werden, wenn man von zunächst eher unspezifischen körperlichen Erregungszuständen ausgeht. Wie kommt es dazu, dass Erregungszustände rekonstruktiv als Angst (oder Hass etc.) eingeordnet werden? Was bedeutet eine unspezifische Erregung im Sinne der Orientierungsfunktion von Emotionen? Das geäußerte Unbehagen kann dabei z.B. vor dem Hintergrund einer strukturell ableistischen Gesellschaft interpretiert werden. In diesem Sinne stehen Faktoren, welche die Dichotomie (Nicht-)Behinderung stützen, beispielsweise Austeritätspolitiken oder neue Verteilungskonflikte, im Fokus – und nicht individuelle oder politische Einstellungen.
Literatur
Heitmeyer, Wilhelm (2002): Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die theoretische Kon-zeption und erste empirische Ergebnisse. In: Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 15-34.
Yvonne Wechuli, M.A
Yvonne Wechuli, M.A. Rehabilitationswissenschaften, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Diversitätssoziologie an der Technischen Universität München.
Forschungsinteressen: Wandel der Hilfesysteme, informelle Hilfen, Wohnen, Nachbarschaft, bürgerschaftliches Engagement, inklusive Hochschule, Wirkungsforschung, Heterophobie, Emotion
Kontakt: yvonne.wechuli@tum.de