Janina Henkes

Performing Difference: Burn*out als männliche Er*schöpfung in der Leistungsgesellschaft? 
Ein Phänomen im Spannungsfeld zwischen Subjekt und Gesellschaft. 

 Das sogenannte Burnout-Syndrom ist eine Krankheitsbezeichnung, die sich – historisch betrachtet – in einem Feld zwischen Selbstoptimierungsimperativen und gesellschaftlichen Umbrüchen sowie Sozialabbau verorten lässt. Das Dissertationsprojekt „Die diskursive Konstruktion von Burnout: Eine diskursanalytische Untersuchung der medialen und künstlerischen Darstellungsweisen“ fragt u.a. nach diskursiven Konstruktionen, Darstellungsformen von Burnout und den damit verbundenen Umgangsstrategien in verschiedenen Diskursen.  
Das Korpusmaterial umfasst u.a. die medio-politische Diskursivierung von Einzelfällen verschiedenen biologischen Geschlechts. Hier werden Fälle von vermeintlichen Burnout-Patient*innen untersucht und verglichen. Der Geschlechterbias, das Genderdispositiv und die daraus abzuleitenden Subjektivierungsformen in Bezug auf die Dispositive Arbeit und Geschlecht>Doing Gender< und das >gender performance< Konzept systematisch untersucht.  
Auch im Diskurs über Burnout in der Literatur sind die Begriffe Entgrenzung und Flexibilisierung wichtige Chiffres. Der Kunstbetrieb als Arbeitswelt grenzt sich in der Darstellung von konventioneller Arbeit ab und produziert im Werk eine Selbstreferentialität. Bemerkenswert lässt sich dies exemplifizieren anhand des Romanbeispiels Liebe unter Fischen (Freund 2015), indem ein Schriftsteller ein Burnout erleidet, das sich in einer sog. Schreibblockade ausdrückt – also eine explizit für Künstler*innen entworfene Pathologisierungsform. Nachdem er eine junge attraktive Frau trifft, die als frohlockende Inspirationsquelle erscheint, ist seine depressive Verstimmung überwunden. In diesem Fall passiert eine Ästhetisierung der männlichen Arbeit und zudem lässt sich ein intersektioneller Bezug zur Berufsgruppenzugehörigkeit herstellen. 
Ich möchte mit der sozialwissenschaftlichen Perspektive als Bezugspunkt darlegen, anhand welcher Fiktionalisierungsmethoden ein Eskapismus von gesellschaftspolitischen Realitäten stattfindet und welche Subjektivierungsweisen greifen.  

Janina Henkes

Promotionskolleg Die Arbeit und ihre Subjekte. Mediale Diskursivierungen seit 1960., Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Geisteswissenschaften. 
Dissertationstitel: Die diskursive Konstruktion von Burnout: Eine diskursanalytische Untersuchung der medialen und künstlerischen Darstellungsweisen 

Forschungsinteressen: moderne Philologie, Soziologie, Gender Forschung, Subjektivation, Diskursanalyse 

Bisherige Studien und Universitätstätigkeit: 
2006-2010: B.A. Langues et Littératures modernes, orientation germaniques. Université de Liège, Belgique. 
2009: Erasmus National University of Ireland Galway. English Literature, European Wommen Stdies. 
2010-2013: M.A. Angewandte Literaturwissenschaft. Freie Universität Berlin, Deutschland. 
2014 Wissenschaftliche Mitarbeit, Elfriede Jelinek Forschungszentrum, Universität Wien. 

janina.henkes@stud.uni-due.de 

Andreas Pacher

Strategic Ambiguity with Diplomatic Objects
The Case of Armenian Cross-Stones

Ambiguity enables different interpretations for multiple actors. In relations with others, diplomats and politicians can strategically use objects without clarifying their meaning. By enabling favorable interpretations for everyone involved, strategic ambiguity can open up political venues which otherwise would have remained shut due to predictable contestations. Other actors, however, may strive to establish a discourse which interprets an ambiguous act as a hostile signal. Objects create political orientations based on the meanings discursively attributed to them by specific actors. This research uses the perspective of symbolic interactionism to study how objects are strategically used in diplomacy and public diplomacy, both in a historical and contemporary perspective. It identifies parallels in how a variety of tangible or visible materials were utilized by diplomats in interstate relations with a higher or lesser degree of ambiguityincluding portraiture, state awards, flags, photographs, pipelines, and animals. This research then provides a case study with regards to the strategic use of cross-stones (orkhachkars’) by Armenian diasporas in various Eastern European host countries. It shows the relations to the political ties with Azerbaijan and Turkey, and how every actor involved attributed different meanings to the khachkars. The observations are based on theories of material culture, symbolic interactionism, and public diplomacy

Andreas Pacher

Mag. Andreas Pacher, M.A. LL.M, publiziert journalistisch und wissenschaftlich zu verschiedenen Themen der Diplomatieforschung. Er studierte zunächst die Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nach einigen Jahren juristischer Tätigkeit absolvierte er ein Postgraduate in Internationale Beziehungen in Paris (SciencesPo) und in Shanghai (Fudan University). Er ist zudem Chefredakteur von Nouvelle Europe. 

Andreas Pacher writes journalistic and academic articles on various topics revolving around diplomacy and diplomatic theory. He originally studied Law at the University of Vienna (Austria). After a few years of legal work, he pursued a postgraduate in International Relations in Paris (SciencesPo) and in Shanghai (Fudan University). He is editor-in-chief of Nouvelle Europe. 

 

Franz Reiter

Negative Again? Die Anwendung von negative campaigning durch die „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“ im Nationalratswahlkampf 2017   

Das Konzept des negative campaigning – eine Wahlkampfstrategie, bei der Akteur A einen Akteur B explizit kritisiert – hat zwar seit Mitte der 80er Jahre eine umfassende Theoretisierung (u.a. Garramone 1984; Ansolabehere und Iyengar 1994, 1995, 1999; Skaperdas 1995; Lau und Pomper 2004; Geer 2006; Nai und Walter 2015) erfahren, weist aber immer noch eine Vielzahl an Defiziten auf. Es liegt weder eine einheitliche Definition noch ein einheitliches Konzept zu negative campaigning vor. Bezogen auf österreichische Wahlkämpfe gibt es nur eine geringe Anzahl an empirischen Studien über negative campaigning. Genau hier setzt meine Masterarbeit an. Ich untersuche, inwiefern die „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“, welche den Anspruch stellt, als neue politische Bewegung auf negative campaigning zu verzichten, diese Wahlkampfstrategie im Nationalratswahlkampf 2017 anwendet. Ich gehe von der Hypothese aus, dass die „Liste Kurz“ dennoch von negative campaigning als Wahlkampfstrategie Gebrauch macht. Als Methode verwende ich eine quantitative Inhaltsanalyse der medialen Berichterstattung in den letzten sechs Wochen vor der Nationalratswahl 2017. Die Relevanz der Masterarbeit ist zweiteilig: (1) Es ergeben sich Erkenntnisse über die Anwendung von negative campaigning durch die „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei. (2) Ich kann daraus Handlungsweisen für neue politische Bewegungen im Umgang mit negative campaigning ableiten.  

Franz Reiter

Franz Reiter  
franz.reiter@student.uibk.ac.at 

 Studienrichtung 
MA Europäische und Internationale Politik – Institut für Politikwissenschaft – Universität Innsbruck  

Forschungsinteressen
Politische Kommunikation  
Wahlkampf und Parteienwettbewerb 
Wahlverhalten und Wahlbeteiligung  

Berufserfahrung:  
Assistenz der Geschäftsführung bei den Tiroler Grünen (seit März 2014)  

Christiane Mayer

Social Media News Use
Modeling Motivations, News Engagement and Political Knowledge

Recent studies suggest that social media are becoming a vital news source. Yet, motivations for accessing news in socially moderated environments remain largely untapped. Given the role news media play in learning about politics, such news behaviors beg the question for its effects on political knowledge. Based on the uses and gratifications approach and cognitive mediation model, a mediated model of the effects of informational and relational motivations for using Facebook as news source is introduced. By distinguishing between consumptive and expressive news engagement, this model illustrates the process through which motivations relate to political discussion and knowledge. Drawing on survey data, results from regression analyses and structural equation modeling show that informational motivation predict consumptive news engagement, whereas relational motivation is related to expressive news behaviors. Consumptive news engagement is indirectly associated with political discussion, via expressive news engagement. Talking politics, in turn, is positively related to political knowledge. Consumptive news behaviors are further directly and positively related to knowledge about politics, while expressive news engagement is so negatively. Thus, the model presented delivers explanations for different knowledge levels acquired. Overall, results may suggest that different motivations trigger distinct cognitive actions. This study contributes to extant literature by outlining that motivations for and uses of Facebook for news matter in predicting political knowledge. Findings provide novel arguments for the positive role consumptive social media news use can play in political learning. Implications are discussed in light of prior work on information processing mechanisms and give directions for future research.

Christiane Mayer

Christiane Mayer (christiane.mayer@univie.ac.at) studierte Communication Science an der
Universität Wien. In ihrem Studium hat sie sich auf Medien- und Kommunikationsforschung spezialisiert. Ihre Forschungsinteressen umfassen die Gebiete digitale Medien und Politik. Sie
war bereits an zahlreichen Forschungsprojekten im universitären und privatwirtschaftlichen
Bereich beteiligt.

Lilly Valerie Kroth

Warum ist das Geheimnis gesellschaftskonstitutiv?
Eine Auseinandersetzung mit Geheimnis, Nichtwissen und ihren gesellschaftlichen Funktionen in Georg Simmels „Das Geheimnis und die geheime Gesellschaft“

Wie sehr Geheimhaltung einzelnen Personen wie auch der Öffentlichkeit und Gesellschaften schaden kann, hat der Missbrauch von Macht durch Wissen in der Geschichte gezeigt. Das Nicht-Offenlegen von Information kann ein drastisches Mittel darstellen, um Korruption und Ausschluss zu kultivieren und Wissen eigennützig zu verwenden. Transparenz ist vor allem in einer Gesellschaft, die stark durch Daten und Informationen reguliert wird, ein brisantes Thema. Das Geheimnis hat heute aus guten Gründen einen eher schlechten Ruf – ganz nach dem Motto „Wer nichts zu verheimlichen hat, hat auch nichts zu befürchten“ wächst Transparenz zu einem gesellschaftlichen Grundwert heran. 

Ein wichtiger Denker des Geheimnisses ist der Philosoph und Soziologe Georg Simmel [1858-1918], der in der Transparenzdebatte von heute immer noch vielfach zitiert wird. In seiner 1908 erschienenen Soziologie unterscheidet er Formen des Geheimnisses und beleuchtet ihren gesellschaftlichen Stellenwert in mikro- wie in makrosoziologischer Hinsicht. Anhand von Simmels Grundlagentext versuche ich der Frage „Warum sind Geheimnisse gesellschaftlich unvermeidbar und sogar wünschenswert?“ nachzugehen, Teilaspekte zu systematisieren und mögliche Parallelen zur heutigen Situation ziehen. Der zentrale  Begriff des Vertrauens als einem Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen erstreckt sich für Simmel nicht nur auf den „kleinen“ Kreis einer privaten Sphäre, sondern auch auf den „großen“ Kreis einer Öffentlichkeit – ein Punkt, der ein starkes Gegengewicht zum „Transparenzdogma“ unserer Zeit bietet.

Lilly Valerie Kroth 

© Ina Aydogan

Studienrichtung: Philosophie 
Forschungsinteressen: Wirtschaftstheorie, Theorien des Öffentlichen, Ästhetik, Kunst

lilly.kroth@gmx.de 

Miriam Metze

Das Begehren des Öffentlichen
Analyse des Facecook-Subjekts im Vergleich mit antiken Selbsttechnologien

Um besser zu verstehen, mit was für einer Art von Öffentlichkeit(en) wir es gegenwärtig zu tun haben, bedarf es einer Analyse jenes Subjekts, welches im Zentrum derselben steht. – Nur so wird es möglich sein, zu gangbaren Alternativen und Ausstiegsszenarien zu gelangen. Welches Subjekt also wird hier bespielt, was für ein Begriff von Menschsein wird – im Sinne Althussers – „angerufen“?
Warum gibt dieses Subjekt so gerne und so viel von sich preis? Am Beispiel der Praktiken von Facebook soll Deleuzes Beschreibung der heute herrschenden Machtverhältnisse als „Kontrollgesellschaften“ plausibilisiert werden, um den Konnex zwischen den Begehrensstrukturen des Subjekts des Web 2.0 und den soziopolitischen Gegebenheiten nachzuvollziehen.
Mit Wiedemann und Foucault wird der homo oeconomicus als ontologische Grundlage des Facebook-Subjekts identifiziert und der Figur des stultus von Seneca gegenübergestellt. So werden Potenziale, aber auch Grenzen der Engführung der Facebook-Praktiken mit antiken Selbsttechnologien offenbar.
Mit dem homo oeconomicus begegnen wir einer Figur, die das Ende einer offen interventionistischen Politik ausruft, wohingegen die stoische Erziehung stark auf die Interventionen des Lehrers setzt. Die inoffizielle, affektive Mobilisierung der Subjekte begünstigt – in diametralem Gegensatz zur stoischen Lehre – die Verringerung der Reflexionsmöglichkeiten über die eigenen Emotionen und führt damit zu einer erhöhten Beeinflussbarkeit, bzw. Regierbarkeit der Subjekte.
Die differentia specifica des Facebook-Subjekts gegenüber dem homo oeconomicus liegt in der Unterbrechung der Unmittelbarkeit sozialer Kontakte – und in der Entstehung von „Beobachtungskreisen“: Das Surfen auf Facebook ist ein Beobachten, wie andere beobachten, wie man sich selbst beobachtet. Die Zurückgeworfenheit des Subjekts auf sich selbst – auch und besonders im Umgang mit der/dem Anderen – führt in eine Nivellierung der Dimension der Alterität.

Miriam Metze

Studienrichtung: Philosophie
Forschungsinteressen: Heideggers Sprachphilosophie, Nietzsche, Foucault, Agamben, jüdische Mystik
Derzeit MA-Arbeit zum Thema „Zeugnis und Zeugenschaft bei Martin Heidegger“ bei Prof. Kurt Appel
Veröffentlichungen:
         „Die apophantische Tautophasis. Eine Querlesung von Heideggers Zeit und Sein und einigen Besonderheiten der hebräischen Grammatik“, in Existentia. Meletai Sophias. XXVI (1-2), 2016, 2-24.
        in Druck: „Auf der Suche nach Rettendem. Ethisch-politische Implikationen der Philosophie Giorgio Agambens im Dialog mit Martin Heideggers „Humanismus“-Brief und dem Spiegel-Interview“ in: Existentia. Meletai Sophias. XXVII, 2017.
Miriam.metze@univie.ac.at

Lioba Schlösser

(Un)Sichtbarkeit im Kinofilm
Transgressive Momente als Sichtbarmachung des Abjekts

„Es gibt immer eine Grenze, auf die sich das Wesen einstellt. Es identifiziert diese Grenze mit dem, was es ist. Entsetzen fasst es bei dem Gedanken, daß die Grenze zu existieren aufhören könnte. Aber wir täuschen uns, wenn wir die Grenzen und das Einverständnis des Wesens mit ihr ernst nehmen. Die Grenze ist da, um aufgehoben zu werden.“  [1]

Der Vortrag thematisiert das Abjekt, das abstoßende Andere, das über die Leinwand immer wieder Eingang in die Öffentlichkeit findet. Er widmet sich der Frage, welche Möglichkeiten und Gefahren mit dem Tabubruch solcher Darstellungen einhergehen. Alle Thesen werden filmanalytisch an Beispielszenen aus den Filmen TRANSCENDENCE (2014), WHEN ANIMALS DREAM (2014), SPLICE (2010), EYES WIDE SHUT (1999) und ORLANDO (1992) evaluiert.
Der Vortrag verortet sich diskursanalytisch im Spannungsfeld zwischen Kultur- und Geschlechterwissenschaften (Butler), Filmanalyse (Stiglegger), Performativitätstheorien (Wulf/Fischer-Lichte) und Mythentheorien (Eliade/van Gennep/Turner). Er untersucht, wie im Film thematisierte Tabubrüche von transgressiven Strukturen (Bataille) durchzogen werden und mimetisch angelegte, gesellschaftliche Normen repräsentieren (Bourdieu). Darstellungen des Abjekts werden im Hinblick auf den Moment der Transgression, der filmisch oft nicht sichtbar ist, analysiert. Jene Augenblicke, in denen der Tabubruch nicht gezeigt wird, weil das Visualisieren selbst einen Tabubruch darstellen würde, stehen im Mittelpunkt. Abschließend soll herausgestellt werden, mit welchen Strategien Filme abjekte Inhalte dennoch zugänglich machen. Neben der Nutzung der Sensationslust der Zuschauenden scheinen weitere, komplexere Strategien angewandt zu werden, die es zu entschlüsseln gilt.

[1] Bataille, Georges (1994): Die Erotik. Mathes & Seitz, München: 139.

Lioba Schlösser

Kurzbiografie:
Doktorandin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz schreibt an ihrem Dissertationsprojekt mit dem Arbeitstitel „Perspektiven filmischer Überwindung der bipolaren Geschlechternorm durch Rückgriffe auf mythisches Potenzial“. Studierte Literatur-,
Kultur- und Medienwissenschaft sowie der Medienkultur mit Schwerpunkt Filmwissenschaft und Geschlechterwissenschaften an der Universität Siegen. Momentan als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der DEKRA Hochschule für Medien in Berlin beschäftigt. Aktuelle Forschungsschwerpunkte liegen auf kulturtheoretischen Betrachtungen des Androgynen in Film und Mythos, Queerstudies, Geschlechterwissenschaften und Körpertheorie.

Publikationen:
Schlösser, L. (2017). „Denn meine Schmach vermag zu tragen außer mir kein Sterblicher“:
Zum Tod des Queeren als gesellschaftsbildendes Opfer. Ohne Ort. Abgerufen von
http://www.ffk-journal.de/?journal=ffk-journal&page=article&op=view&path%5B%5D=27,
Zugriff am 23.07.2017.
Schlösser, L (2017). Mythos und Lückenschluss: Mythen als Vermittler innerhalb filmischer
Diegese. Ohne Ort. Abgerufen von http://www.ffk-journal.de/?journal=ffkjournal&page=article&op=view&path%5B%5D=8, Zugriff am 23.07.2017.

Kai Schubert

Das Verhältnis von „Israelkritik“ und Antisemitismus
Wissenssoziologische Diskursanalyse einer Forschungskontroverse in Deutschla
nd und Großbritannien 

Die Kontroverse über die Unterscheidbarkeit von antiisraelischen bzw. „israelkritischen“ Handlungen  einerseits und antisemitischen andererseits wurde vor dem Hintergrund einer vielerorts anzutreffenden Abneigung gegen Israel besonders heftig geführt, auch in der Antisemitismusforschung. Im Zuge der Diskussionen um einen „Neuen Antisemitismus“ in Europa werden immer wieder konkrete Kriterien des israelbezogenen Antisemitismus formuliert, besonders prominent die „Working Definition of Antisemitism“ des European Union Monitoring Center on Racism and Xenophobia. Die hier genannten Beispiele für israelbezogenen Antisemitismus jedoch z.T. umstritten. Das Forschungsinteresse entspricht einer wissenssoziologchen „Beobachtung der Beobachter“. Mittels einer qualitativen Diskursanalyse wird untersucht, welche Besonderheiten das  wissenschaftliche Wissen über aktuellen Antisemitismus auszeichnet. In die Analyse wurden deutsche und britische Forschungsarbeiten einbezogen, weil über Antisemitismus in besonderem Maße in diesen beiden Ländern diskutiert wird und weil ein maximaler Kontrast zwischen beiden Diskursen zu erwarten ist. Es wurde ein Korpus von 99 wissenschaftlichen Arbeiten der Erscheinungsjahre 2003 bis 2017 erstellt, welche die Kriterien für die Unterscheidung von Kritik an Israel und Antisemitismus diskutieren. Im Anschluss wurden abgrenzbare Diskurspositionen identifiziert. An ausgewählten Texten wurde eine Feinanalyse durchgeführt, wobei insbesondere die Deutungsmuster, Phänomenstrukturen und Klassifikationen betrachtet wurden: Was wird als Problem identifiziert? Welche Begriffe werden zur Beschreibung des Problems verwendet? Was wird als normativ illegitim klassifiziert? Auf die gewonnenen Erkenntnisse zurückgreifend wurde abschließend der gesamte Diskursstrang untersucht. Die Darstellung erfolgt anhand ausgewählter Ergebnisse, wobei der Schwerpunkt auf den Abweichungen der beiden Diskurse liegen wird, die auf nationalspezifische Diskursverläufe verweisen. 

Kai Schubert

Studium der Politikwissenschaft und der Judaistik/Jüdischen Studien (B.A. 2014) sowie der Interdisziplinären Antisemitismusforschung (M.A. 2017) in Berlin und Potsdam. Von 2015 bis 2017 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für die Fachdidaktik der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsinteressen: Antisemitismus, Rassismus und Antiziganismus, Islamismus, Debatten über Vorurteile, Kritische Theorie, Methoden der Vorurteilsforschung.  
Veröffentlichungen: „Judentum und Holocaust in sozialistischen Erinnerungskulturen. Ein Vergleich der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien mit der SBZ/DDR“, in: Studentische Fachzeitschrift für Politikwissenschaft (2017) 1, S. 45-57; „Feindbilder des Nationalsozialismus. Ein Vergleich von modernem Antisemitismus und Antiziganismus als projektiver Identifizierung“, in: Passauer Journal für Sozialwissenschaften 5 (2016) 2, S. 62-75.
Email: schubertresearch@gmx.net

Tilman Klawier

Feindbilder, Verschwörungstheorien und Populismus in „alternativen“ Online-Medien
Eine triangulative Frame-Analyse 

Ausgangslage der vorgestellten Studie ist die Entstehung einer medialen ‚Gegenöffentlichkeit’, deren Gemeinsamkeit häufig in der Konstruktion von Feindbildern sowie dem Gebrauch von Verschwörungstheorien und Populismus gesehen wird. Ziel ist es, diese Aspekte systematisch aufzuarbeiten und inhaltsanalytisch zu untersuchen. Dazu werden die drei Phänomene aus theoretischer Perspektive näher betrachtet und ihre Überschneidungen untereinander hervorgehoben. Argumentiert wird zudem, dass sich Feindbilder, Verschwörungstheorien und Populismus in Form von Frames manifestieren und als solche erforschen lassen. Für jedes Phänomen wird daher eine Integration in den Framing-Ansatz nach Entman (1993) vorgenommen und ein generisches Grundmuster hergeleitet. Der Kern dieser Muster liegt in der Konstruktion einer sozialen Dichotomie, indem gesellschaftliche Probleme auf das Wirken einer Outgroup zurückgeführt werden, die vermeintlich die Absicht verfolgt, damit der eigenen Ingroup oder einer Solidaritätsgruppe zu schaden.  

Für die empirische Analyse der Frames wurde ein triangulatives Verfahren angewandt. Dabei wurden zunächst Zufallsstichproben von drei ‚Alternativmedien’ und einem Vergleichsgegenstand anhand eines quantitativen Kategoriensystems codiert. Durch die Bildung von Indizes wurden dann die vorab entworfenen Grundmuster auf abstrakter Ebene rekonstruiert und mit anderen Variablen in Beziehung gesetzt, um sie inhaltlich zu konkretisieren. Signifikante Zusammenhänge, die dabei festgestellt werden konnten, wurden anschließend einer qualitativen Analyse unterzogen, um sie vertiefendend zu interpretieren. Auf diese Weise ließen sich drei zusammenhängende Frames identifizieren, die auf den Grundmustern basieren und einen übergeordneten ideologischen Deutungshorizont der ‚Alternativmedien’ offenbaren.

Tilman Klawier

 

tilman@klawier.de 

Abgeschlossenes Bachelorstudium in Medienmanagement an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover 

aktuell: Masterstudium Kommunikationsforschung mit Schwerpunkt auf politische Kommunikation sowie wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni Erfurt

Richard Bärnthaler

Well-Ordered Science
A Desirable Vision or an Escapist Fallacy?

In my talk, I will critically discuss Philip Kitcher’s concept of ‚Well-Ordered Science.‘ Kitcher (2011, p. 105) asks, „If contemporary Science, and the public system of knowledge in which it is embedded, is to serve the purposes of the citizens of a democratic society, what kinds of investigations should be pursued?“ Kitcher’s panacea is tutoring since he locates the trouble spot in a ‚vulgar‘ – or untutored – democracy. I will discuss two problematic aspects of Kitcher’s vision of the public-science interface. First, the concept of tutoring implicitly assumes the existence of the Scientific Knowledge (with a capital S and K); it ‚black-boxes‘ the process of knowledge production. As a consequence, Kitcher implicitly assumes that value judgments only play a role in choosing kinds of investigations. I conclude that the Scientific Knowledge does not exist. In line with feminist scholars such as Martin, Hrdy, or Douglas I argue that the process of knowledge production does and should include non-epistemic values and value judgments; in other words, the production of scientific knowledge must not exclude the demos to not fall into a state of ‚disciplined democracy.‘ Such a conception furthermore demonstrates the flawed understanding of tutoring, which represents a linear transfer of knowledge from science to society and follows an ideal of control. Secondly, I will show that the idea of a rational consensus – as proposed by Kitcher – is fundamentally misleading. A rational consensus cannot exist; moreover, even as an ideal, such a conception undermines pluralism and democracy by tendency.

Richard Bärnthaler

 

Richard Bärnthaler is currently living in Vienna. He has a master’s degree in Socio-Ecological Economics and Policy from the Vienna University of Economics and Business, where he also held a teaching assistant position at the Research Institute Multi-Level Governance and Development. Richard is currently pursuing a master’s degree in History- and Philosophy of Science (University of Vienna) and is working at the Institute for Development Studies (University of Vienna) as well as at the Research Institute Multi-Level Governance and Development (Vienna University of Economics and Business). Richard also studied in the US (Bentley University) and Japan (Hitotsubashi University). His research focus and interests are related to the Sociology of Scientific Knowledge (‚The Strong Programme‘), Relativism, Social Epistemology, Science and Technology Studies as well as Political Philosophy.