Abstracts

(De)Legitimationsstrategien öffentlicher Schlüsselakteure in evidenzbasierten Nachhaltigkeitsdiskursen - Eine wissenssoziologische Diskursanalyse um klimaspezifische Events in der österreichischen Medienberichterstattung und auf Twitter

Die Klimakrise ist eine der dringlichsten Herausforderungen unserer Zeit. Unterschiedliche soziale Akteure treten zwangsläufig über diese Thematik miteinander in einen öffentlichen Diskurs. Dabei kann es sich um politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche oder auch protestöffentliche Akteure handeln. Sie alle begegnen sich in einer Öffentlichkeit, die von der voranschreitenden Digitalisierung geprägt ist. Darüber hinaus will es ihnen gelingen, einen positiven gesellschaftlichen Beitrag im Sinne des Klimawandels zu leisten, ohne dabei eigene Ansprüche zu vernachlässigen. Die sozialen Akteure finden sich entsprechend in einem Spannungsfeld aus funktionalen und allgemeinöffentlichen Anforderungen wieder und begegnen darin einem doppelten Legitimationsdilemma. Sie unterliegen spezifischen Zugzwängen und ringen indes in der medialisierten Öffentlichkeit um Deutungshoheit und Legitimität. Des Weiteren beeinflussen die Akteure durch ihre Teilnahme am öffentlichen Diskurs diesen wiederum maßgeblich und haben die Macht, Veränderungsdruck zu erzeugen. In diesem Sinne widmet sich dieses Projekt den Zugzwängen und De-/Legitimationsstrategien unterschiedlicher sozialer Akteure angesichts der voranschreitenden Klimakrise im Kontext öffentlicher Kommunikationsdynamiken. Das Forschungsprojekt ist an der Schnittstelle zwischen politischer Kommunikations-, Unternehmens- und Nachhaltigkeitskommunikations- sowie Umwelt- und Wissenschaftskommunikationsforschung angesiedelt und bemüht sich um eine interdisziplinär-komparative Perspektive, um ein wechselseitiges Problembewusstsein der unterschiedlichen sozialen Akteure zu entwickeln und Synergiemöglichkeiten zu beleuchten.

Aus theoretischer Sicht gilt es die multiple Krisenlage bestehend aus der Klimakrise, der Öffentlichkeitskrise sowie der Legitimationskrise der Akteure nachzuvollziehen. Sowohl die evidente Faktenlage und die wachsende Dringlichkeit der Klimakrise, als auch die gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit ob dieser Thematik, üben Handlungsdruck auf die zentralen sozialen Akteure aus (Weder et al., 2021). Des Weiteren werden die bisherigen Deutungsangebote der Akteure zu Krisenzeiten diskursiv und sie geraten zusätzlich unter Druck, sich ihre Legitimität zu sichern (Eisenegger & Udris, 2019; Imhof, 2011). Sie sind also gezwungen, in den öffentlichen Diskurs um die Nachhaltigkeitsthematik zu treten. Dabei bewegen sie sich in einem Spannungsfeld zwischen nach innen gerichteten Ansprüchen entlang einer Systemerhaltungslogik (Schimank, 2005) sowie nach außen gerichteten allgemeinöffentlichen Ansprüchen entlang einer sozialen Legitimationslogik (Sandhu, 2015). Dieses Spannungsfeld wirkt sich letztlich auf das Entscheiden, das Kommunizieren und das Handeln der Akteure aus. Anhand eines Literature Reviews sollen ebendiese Spannungsfelder für die jeweiligen Akteurstypen reflektiert werden, um die akteursspezifischen Zugzwänge beleuchten zu können. Geplant ist darüber hinaus eine wissenssoziologische Diskursanalyse, welche sich die Untersuchung der De-/Legitimationsstrategien sowie Handlungskonsequenzen zentraler Schlüsselakteure in klimaspezifischen Events vornimmt. Hierfür sollen die Diskurse einerseits aus der Kronen Zeitung und andererseits aus der Social-Media-Plattform Twitter gegenübergestellt werden.

 

Die Ergebnisse sollen einerseits Einblicke in den Umgang der sozialen Akteure mit klimaspezifischen Evidenzen sowie andererseits in den strategisch-kommunikativen Umgang miteinander liefern und in eine Typologisierung ebendieser Strategien münden. Durch das Beleuchten der unterschiedlichen Perspektiven auf das gesellschafts- und zukunftsrelevante Thema der Klimakrise sowie der Diskurspositionen der Akteure im Feld, erhofft sich dieser Ansatz, einen Einblick in die wechselseitigen Dependenzen zu gewinnen und gemeinsame Anknüpfpunkte zu beleuchten. Dieser interdisziplinäre Zugriff liefert Implikationen für die Kommunikationswissenschaft sowie für die adressierten Sub-Forschungsfelder. Auf Basis dieser Forschung lässt sich der öffentliche Diskurs der zentralen öffentlichen Akteure aus der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft und aus Protestbewegungen sowie deren Zugzwänge in Hinblick auf eine gesamtgesellschaftliche gemeinsame Transformation kritisch reflektieren.

Alexandra Krämer

Alexandra Krämer absolvierte im Jahr 2020 das Masterstudium der Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg, an der sie nun als Dissertantin in der Abteilung Organisationskommunikation beschäftigt ist. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Untersuchung des Zusammenspiels von öffentlicher Kommunikation und gesellschaftlichem Wandel. Dabei verfolgt sie gerne interdisziplinäre Zugänge und vereint kommunikations-, organisations- sowie politikwissenschaftliche Perspektiven.

Antimuslimischer Rassismus im Kontext der Konstruktion sogenannter „Clankriminalität"

Seit einigen Jahren warnen Politik, Medien und Sicherheitsbehörden in Deutschland vor einer zunehmenden Gefahr der sich scheinbar ausbreitenden „Clankriminalität“. Aufgrund ihrer starken Ausrichtung auf eine patriarchalisch-hierarchisch geprägte Familienstruktur, mangelnder Integrationsbereitschaft und  Ablehnung der allgemeinen Rechtsordnung, würden arabische/kurdische/türkische „Clans“ umfangreiche „vom Gewinn- und Machtstreben bestimmte Straftaten begehen“ und dabei „eine den Rechtsstaat umgehende Paralleljustiz“ etablieren. Mit umfangreichen Razzien, einer Null-Toleranz-Politik und der Anwendung des sog. administrativen Ansatzes wird dieser vermeintlichen Entwicklung entgegengewirkt.

Doch die Kollateralschäden sind hoch. Rassistisches Wissen über „Clans“ führt zu Stigmatisierung am Arbeitsplatz, in der Schule und im Kontakt mit Behörden. Bis zu 250.000 Menschen werden unter Generalverdacht gestellt und laufen Gefahr aufgrund ihres Namens, Wohnorts oder Aussehens der organisierten Kriminalität zugerechnet zu werden. 

Denn weder „Clans“ noch „Clankriminalität“ werden einheitlich und trennscharf definiert. Stattdessen assoziiert die gegenwärtige politische und behördliche Praxis gemeinhin alle Mitglieder einer arabischen Großfamilie als „Clan“ und verzichtet letztendlich auf die Unterscheidung von kriminellen und nicht kriminellen Familienmitgliedern. Frei nach dem Motto „die stecken doch alle unter einer Decke“ wird eine vermeintlich notwendige Kollektivbetrachtung vor allem unter Rekurs auf die paternalistisch-hierarchische Familienordnung arabischer Großfamilien begründet. Diese werden als funktionales Äquivalent zu kriminellen Organisationen konstruiert. 

Der Vortrag wird die gegenwärtige Polizeipraxis und deren straf- und verfassungsrechtliche Probleme einerseits sowie das zugrundliegende rassistische Wissen über den „Islam“ und „arabische/kurdische/türkische Großfamilien“ andererseits kritisch in den Blick nehmen. Mit Hinblick auf die Wechselwirkung von Politik, Öffentlichkeit und Medien wird die besondere Verantwortung der medialen Darstellung von „Clans“ bzw. „Clankriminalität“ diskutiert.

Joseph Wilson

Joseph Wilson beendet momentan sein Studium der Interdisziplinären Antisemitismusforschung am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. Nebenbei arbeitet er am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt und leitet Workshops zu Antisemitismus, Verschwörungsideologien und dem Nahostkonflikt an Berliner Schulen. Seit April 2021 ist er der Beauftragte für Diskriminierungsfälle des Berliner Fußball-Verbands.

Expertise in der Krise: „Die Wissenschaft“ in der politischen Kommunikation

Statistische Modelle machen komplexe Zusammenhänge beobachtbar und ermöglichen die Erstellung von Prognosen. Gleichzeitig beinhalten sie teils bedeutende epistemische Unsicherheit, welche in der politischen Kommunikation nur selten artikuliert wird. Häufiger werden wissenschaftliche Erkenntnisse derart kommuniziert, dass sie bereits getroffenen Maßnahmen entsprechend untermauern.

Das interdisziplinäre Projekt „REASON“ der Universität Graz untersucht, inwieweit politische Entscheidungsträger:innen die Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Krise auf statistische Modellierungen stützten. Darauf aufbauend untersucht REASON, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen an solche Modellierungen abgeleitet werden können, um anschließend einen rechtspolitischen Vorschlag für den Einsatz statistischer Modellierungen im Krisenfall zu formulieren.

Dieser Beitrag präsentiert die Ergebnisse des ersten Teils von REASON. Dazu haben die Autor:innen die Pressekonferenzen der österreichischen Bundesregierung im Zeitraum von Februar bis Oktober 2020 mittels wissenssoziologischer Diskursanalyse untersucht. Zusätzlich wurden Expert:inneninterviews mit Mitgliedern verschiedener Beratungsgremien der Bundesregierung geführt.

Die Analyse der Pressekonferenzen hat zwei spezifische Framings in der politischen Kommunikation rekonstruiert. Einerseits stellte sich die Bundesregierung als rational handelnden Akteur dar, andererseits wurde die bestehende Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Pandemie betont. Dieses Spannungsverhältnis wurde durch Verweise auf „die Wissenschaft“, die als monolithische Entität dargestellt wurde, aufgelöst.

Die Ergebnisse der Expert:inneninterviews zeigen jedoch, dass es durchaus divergierende Ansichten innerhalb „der Wissenschaft“ gab. Die mangelnde Darstellung unterschiedlicher Ansichten sowie fehlende Diskursräume führten zu einer Verlagerung des wissenschaftlichen Diskurses in die Öffentlichkeit, wodurch die politische Kommunikation inkohärent wurde.

Eine Alternative wäre daher ein Kommunikationsmodell, welches die unterschiedlichen Akteure und Ergebnisse wissenschaftlicher Expertise innerhalb der Kommunikation der Bundesregierung behandelt. So könnte die diskursive Konstruktion von Legitimation gestärkt werden.

Dipl.-Ing. Annemarie Hofer

Dipl.-Ing. Annemarie Hofer ist Universitätsassistentin am Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien, wo sie sich aus interdisziplinärer Perspektive mit (rechtlichen) Qualitätsanforderungen an statistische Modellierungen auseinandersetzt.

Von der Kybernetik bis zur digitalen Disruption: Kontingenzreduktion in der digitalen Moderne durch modische Narrative

Digitalisierung ist zutiefst in der Moderne verankert. Dabei spiegelt sich die Dualität der Moderne als gleichsam rationales wie romantisches Projekt auch in der Digitalisierung wider: zum einen im Sinne einer rein technischen sowie rational geprägten Dimension (Digitization); zum anderen als damit einhergehende soziale Erwartungen und Visionen des Digitalen (Digitalization). Letztere lässt sich insbesondere in entsprechenden Digitalisierungsnarrativen beobachten.
 
Der Beitrag nimmt diese Dualität zum Anlass, um die soziale Logik der Digitalisierung zu ergründen. Dabei wird anhand von Digitalisierungsnarrativen historischen Ursprungs aufgezeigt, dass die Ebene der Digitalization einer sozialen Logik der Mode folgt. Diese entfaltet in der digitalen Moderne ihre Wirkung, da die stetig zunehmende Rationalisierung (Digitization) zwar eine allgegenwärtige Be- und Verrechnung zulässt, aber nicht die Funktion eines handlungsanleitenden Orientierungspunkts übernehmen kann. Dies liegt darin begründet, dass die Digitization trotz aller Berechenbarkeit ein Problem der Moderne nicht zu lösen vermag, sondern dieses sogar noch beschleunigt: die Entstehung von Zukunftskontingenz – im Sinne der Freiheit, aber eben auch Ungewissheit, wie und zu welchem übergeordneten Zweck eine Allvermessung und -Berechenbarkeit und die dadurch bestehende Optionsvielfalt der Moderne erfolgen soll.
 
Der Beitrag plädiert dafür, die Bewältigung von Kontingenz in der digitalen Moderne auf der sozialen Ebene der Digitalization zu verhandeln und sich die zyklische Imitations- und Wandlungslogik der Mode zu Nutze zu machen, um die Reduktion von Kontingenz auf narrativer Basis zu untersuchen. Dies wird abschließend im Kontext der strategischen Kommunikation betrachtet, die basierend auf ihrem Anspruch organisational wie öffentlich tragfähige Zukunftsentwürfe zu entwickeln, einen entscheidenden Anteil an der Verbreitung jener modischen Narrative hat.

Jannik Kretschmer

Jannik Kretschmer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Fachbereich für Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg. Nach Studien der Betriebswirtschaftslehre sowie der Kommunikationswissenschaft war er als Change- und Kommunikationsmanager in der Praxis tätig, ehe es ihn als Doktorand 2020 nach Salzburg zog. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Digitalisierung der Strategischen Kommunikation, verschiedenen Arten des Narrativen sowie Moden als soziales Phänomen.

Uni für alle? Reflexionen der mehrsprachigen Schreibbiographie bei Geflüchteten in der Hochschule

Das Forschungsprojekt, welches im Rahmen der Schreibmentoringausbildung durchgeführt wird, befasst sich mit dem wissenschaftlichen Schreiben auf der Hochschule im Kontext von Mehrsprachigkeit.

Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erfahrungen, die sowohl Schüler*innen, als auch später Studierende, beim Schreiben machen, entstehen unterschiedliche Herausforderungen für jene Individuen. Diese Schlüsselmomente, die im Laufe des Lebens beim Schreiben gesammelt werden, setzen sich in den individuellen Schreibbiographien fest und können auf weitere Kontakte mit dem Schreiben positiv oder negativ einwirken. Wird das Schreiben auf Deutsch zusätzlich im Kontext der Mehrsprachigkeit beleuchtet, so sind Faktoren, wie die gesellschaftliche Wahrnehmung von Mehrsprachigkeit und das dadurch geformte Selbstbild, näher zu betrachten. Mit Hilfe einer Schreibübung und qualitativer Interviews sollen Studierende mit Fluchterfahrung ihre Schreibbiographien reflektieren. Die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Schreibbiographie bietet neue Perspektiven auf das eigene Schreiben. Für die Gestaltung der Schreibberatung bedeutet dies, gezielte Lösungswege für jene Studierendengruppe anbieten zu können. Wir gehen davon aus, dass gewisse Sprachniveaus an den subjektiven Schreiberfolg gebunden sind, allerdings gehen wir in diesem Forschungsprojekt nicht auf die kognitiven Entwicklung bzw. die Verbesserung der Sprachkenntnisse ein. Wir nehmen an, dass äußerliche Faktoren bei negativen Erfahrungen mit dem Schreiben eine große Rolle spielen können, beeinflusst durch Machtverhältnisse innerhalb der Universität, die gesellschaftliche Wahrnehmung des Subjektes und eine daraus resultierende Beeinflussung des Selbstbildes, was die Bewegung jener Studierenden im akademischen Feld bedingt.

Marina Senjak und Katharina Kulesza

Marina Senjak studiert Konferenzdolmetschen an der Universität Wien und ist derzeit als Lehrkraft an einer Mittelschule in Wien tätig. Katharina Kulesza studiert Soziologie und Afrikawissenschaften an der Universität Wien. Ihre Forschungsinteressen umfassen soziale Ungleichheit, Migration und Rassismusforschung.

Seit 2020 sind sie Schreibmentorinnen an der Universität Wien und begleiten Studierende beim wissenschaftlichen Schreiben während des Studiums.

Bedeutung von VermittlerInnen für das kollektive Gedächtnis

FremdenführerInnen, auch Austriaguides genannt, prägen mit den von ihnen geführten Gruppen das Stadtbild. Seit Beginn der Pandemie treten sie nun auch verstärkt als VermittlerInnen für österreichische Gruppen mit speziellen Themenführungen auf. In dem Vortrag werden sie als VermittlerInnen von historischen Inhalten im Sinne der Public History vorgestellt. Es wird dabei die These vertreten, dass sie in der Ausübung ihres Berufes signifikant zu einer kollektiven Identitätsbildung beitragen können. Durch den ihnen zuerkannten ExpertInnenstatus und die unmittelbare Kommunikationssituation kann es ihnen besser als anderen Medien gelingen, einen Einfluss auf die Konstruktion von Erinnerungsorten auszuüben. In dem Vortrag werden Thesen sowie erste Ergebnisse einer breit angelegten Studie zur Gruppe der Austriaguides präsentiert, sowie Fallbeispiele aufgezeigt. Die von Dr. Oliver Rathkolb betreute Dissertation erschließt dabei eine wissenschaftlich bisher kaum untersuchte Berufsgruppe und zeigt Wege auf, wie Vermittlung von Inhalten an ein nicht-akademisches Publikum vor Ort funktionieren kann.

Thomas Hinterhofer

Thomas Hinterhofer wurde 1993 in Niederösterreich geboren und absolvierte mehrere Studien an der Universität Wien, darunter den Master in Theater-, Film- und Mediengeschichte, sowie den Master in Geschichte mit Schwerpunkt historisch-kulturwissenschaftlicher Europaforschung. Beruflich ist er seit 2020 als Reiseleiter in Europa und zusätzlich seit 2019 als Fremdenführer in Österreich aktiv.

Moral im Nationalsozialismus? Die Konzeption von Moral in Aufnahmen aus dem Warschauer Ghetto

„Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht.“ [1] Mit dieser schonungslosen Offenheit wendete sich der SS-Reichsführer Heinrich Himmler am 4. Oktober 1943 an die SS-Gruppenführer in Posen. In dieser Rede zog er eine Bilanz des Krieges gegen die Sowjetunion und kommentierte die Taten, das Wesen und die Zukunft der SS.

Im Zentrum der präsentierten Arbeit steht die Grundannahme, dass sich in der Propaganda eine spezifische nationalsozialistische Moral manifestierte, die mit optischen Mitteln verfestigt wurde. Dies wurde anhand von Filmaufnahmen aus dem Warschauer Ghetto untersucht, die im Mai und Juni 1942 entstanden, jedoch nie in den Korpus eines Propagandafilms übertragen worden sind. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt der Analyse: Durch welche Visualisierungsstrategien werden im Filmmaterial Emotionen erzeugt, die zur Umschreibung von Wertesystemen beitragen und übertragen auf den Kontext des Nationalsozialismus, die Verankerung des Antisemitismus der Volksgemeinschaft verstärken?

Anhand der Kategorien: Der Jude im Ghetto, Der Jude als Fremder, Der Jude als Parasit, Der Jude und das Geld und Der Jude als Bedrohung für Blut und Boden wurden die propagandistischen Visualisierungsstrategien der Aufnahmen sowie deren emotionale Wirkung herausgearbeitet.

Die Analyse der einzelnen antisemitischen Topoi konnte zeigen, welche moralischen Schemata in den Aufnahmen transportiert werden. Die Aufnahmen hätten somit eine mobilisierende Rolle einnehmen können und sind damit als Ausdruck der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik zu verstehen, da sie die „Endlösung“ ideologisch vorbereiten und politische Maßnahmen mit antisemitischen Bildformeln legitimieren.

 

[1] Heinrich Himmler, Rede des Reichsführers der SS bei der SS-Gruppenführertagung in Posen am 4. 10. 1943. Verfügbar unter: http://1000dok.digitale-sammlungen.de/dok_0008_pos.pdf. Zuletzt aufgerufen am: 13.06.2021.

Vanessa Prattes

Vanessa Prattes, absolvierte ihr Bachelorstudium der historischen Kulturwissenschaften an der Universität Passau und war im Anschluss als Praktikantin sowie freie Autorin bei der SZ TAZ sowie bei Zeitgeschichte-online tätig. Ihr Masterstudium der Zeitgeschichte und Medien an der Universität Wien schloss sie mit einer Arbeit über Moral im Nationalsozialismus ab. Aktuell arbeitet sie als freie Autorin bei Hearonymus.

Die Wiener Neustädter Fronleichnamsrituale 1912–1923 und die Repräsentation von Loyalitäten

Im Vortrag wird aus mikrohistorischer Perspektive der Frage nachgegangen, wie sich die Repräsentation von Loyalitäten im Zuge der Aufführung der Wiener Neustädter Fronleichnamsrituale zwischen 1912–1923 veränderte. Ausgehend von dieser zentralen Frage zeigt der Vortrag, wie die Fronleichnamsrituale zwischen 1912–1918 Loyalität zwischen Kirche, Staat und der Wiener Neustädter Stadtgesellschaft repräsentierten und so auch Herrschaftsrituale des Staats der späten Habsburgermonarchie darstellten, die dessen Herrschaftsverhältnisse spiegelten und eine Einheit zwischen wesentlichen Säulen der Herrschaft der späten Habsburgermonarchie und der Wiener Neustädter Stadtgesellschaft suggerierten. Von solchen Herrschaftsritualen wandelten sich die Fronleichnamsrituale ab 1919 zu Ritualen, die Loyalität zwischen Kirche, Christlichsozialer Partei und den Wiener Neustädter Katholik_innen repräsentierten und denen politische Bedeutung im zeitgenössischen politischen Konflikt zwischen Kirche wie Christlichsozialer Partei auf der einen und der Sozialdemokratie auf der anderen Seite zukam. Der Vortrag basiert dabei auf einem geschichtswissenschaftlichen Masterarbeitsprojekt. Als Quellen dienen Wiener Neustädter Lokalperiodika und Pfarrchroniken.

Indem die Repräsentation von Loyalitäten im Zuge der Aufführung der Fronleichnamsrituale in den Blick genommen wird, kann der Vortrag anhand des mikrohistorischen Beispiels Wiener Neustadt Auskunft über gesellschaftliche Loyalitäten vor und nach dem politischen Bruch 1918/19 geben sowie darüber, wie sich Loyalitäten aufgrund dieses Bruchs veränderten. Zudem kann er Veränderungen der politischen Bedeutung der Fronleichnamsrituale über den Bruch 1918/19 hinweg sichtbar machen, was wiederum Auskunft darüber geben kann, wie politische Konflikte gesellschaftlich verhandelt wurden. So soll der Vortrag auch die Debatte um gesellschaftliche Spannungsfelder bereichern, die Gegenstand der Tagung ist.

Tobias Eder

Studium der Geschichte an der Universität Wien. MA-Projekt „Die Repräsentation von Loyalitäten am Beispiel der Wiener Neustädter Fronleichnamsrituale 1912–1923“, betreut von Tamara Scheer. Tätigkeiten als Vermittler, Schreibtutor und Studienassistent. Interessiert an Neuer und Neuester Geschichte, Kulturgeschichte des Politischen, Geschichte der späten Habsburgermonarchie, Faschismusforschung und Schreibdidaktik.

Angst vor dem „Anders“

Die Angst vor dem „Anders“ ist Grundlage einer weitreichenden, interdisziplinären Ursachenforschung. So beschreibt Donna Haraway in ihrem Cyborg Manifest „Anders“ als eine Art Rechtfertigung des „Selbst“:  das „Selbst“ definiert sich durch Abgrenzung vom „Anders“ durch ein behauptetes Minus –  ein Mangel an Bewusstsein etwa würde bedeuten nicht mehr „Selbst“ sondern „Anders“ zu sein. „Anders“ würde dementsprechend auch die Einbuße von Kerneigenschaften bedeuten, die das „Selbst“ in einer prominenten Position innerhalb der Natur oder sogar Gesellschaft stationieren, und ohne die es sich schutzlos fühlt. Die Angst vor dem „Anders“ ließe sich dementsprechend definieren als die Angst „Anders“ als „Selbst“ zu sein. Aus diesem Gedanken entwickelt sich eine eigene Perspektive auf Kunstbetrachtung, als ein Aspekt meines Dissertationsprojektes „Mutation und Metamorphose. Ästhetische Verhandlung und Austragung der Zerstörerischen Plastizität“. Für den Rahmen des Call for Papers lege ich einen besonderen Fokus auf die Auseinandersetzung mit Dualismen der Körperdisziplinierung und Machtbehauptungen, die sich aus der Abgrenzung des „Selbst“ gegen das „Anders“ ergeben. Dabei möchte ich als Rahmen meines Vortrags die Frage postulieren: Haben wir Angst vor dem „Anders“ oder vielmehr Angst, statt das bekannte „Selbst“ in diffuser Weise „Anders“ zu sein? Exemplarisch soll dazu der australische Film Relic betrachtet werden, der 2020 ausgestrahlt wurde und vor der Folie einer Altzheimer-Erkrankung, die als Horrorgeschichte erzählt wird, zu einer Debatte über die „Angst vor dem Anders“ einlädt.

Katharina Sturm

Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Masterarbeit über Emotionalisierungstechniken im Dokumentarfilm (Bereich Medienwissenschaften) an der Ruhruniversität Bochum im Jahr 2017, ist Katharina Sturm seit 2019 mit ihrer Doktorarbeit im Bereich Theaterwissenschaften beschäftigt. Hierfür kehrte sie an die Universität Bayreuth zurück, wo sie bereits zwischen 2009 und 2012 den Bachelorstudiengang Theater- und Medienwissenschaften mit einer Arbeit zur Zuschauerbehandlung bei Pedro Almodovar absolviert hatte. Sozusagen nebenbei lebt sie in Berlin und arbeitet als Redaktionsassistentin für den rbb Berlin/Brandenburg in der Programmleitung des dort angesiedelten „Inforadio“.

Platons Drama von Politik und Philosophie
Politeia Buch 1 eine Reflexion über die affektiven Vorbedingungen der Philosophie und ihr Verhältnis zur politischen Gemeinschaft

Die Politeia fasziniert Philosophen seit über 2000 Jahren und ist noch immer fixer Bestandteil universitärer Curricula. Seit der Antike gibt es eine nicht enden wollende Kommentartradition zu Platons Werken. Platons Dialoge provozieren nicht zuletzt auf Grund ihres literarischen Charakters perpetuell neue Interpretationen. In den Dialogen treten Personen auf, werden Szenerien beschrieben, gibt es Handlung. Dies unterscheidet sie maßgeblich von den allermeisten philosophischen Werken, welche zumeist in Traktatform verfasst sind. Eine Stärke der Dialogform ist, dass sie vermag mehrere Publika zugleich anzusprechen und somit auf unterschiedliche Interpreten und deren affektive wie kognitive Vorbedingungen einzugehen. Platons Argument kann nicht einfach mit den Aussagen des Sokrates gleichgesetzt werden. Falls es überhaupt ein in sich geschlossenes Argument Platons gibt, ergibt es sich erst aus der Zusammenschau aus Handlung und vorgetragenen Argumenten. Ausgehend von einem methodologischen Ansatz innerhalb der Ideengeschichte, welcher die dramatische Dialogform für die Interpretation nutzbar macht, wird argumentiert, dass das 1. Buch der Politeia als philosophisches Propädeutikum gelesen werden kann. Dieses behandelt die affektiven Vorbedingungen des Philosophierens sowie die prekäre Stellung der Philosophie innerhalb des politischen Regimes. Gerade die Affekte rücken in letzter Zeit wieder stärker in den Fokus der Philosophie, wurden sie doch lange Zeit als nicht der philosophischen Analyse würdig angesehen. Die Antike Philosophie und allen voran die Dialoge Platons und Xenophons können in vielerlei Hinsicht als Musterbeispiele der Auseinandersetzung mit den Affekten gelesen werden. Analysiert wird die Passage 327a bis 331e, ausgehend vom Hintergrund der dramatischen Handlung in 327a, über den „playful arrest“ des Sokrates in 327b -328b, bis hin zum Charakter des ersten Gesprächspartners des Sokrates, Cephalus und dessen Dialog mit demselben.

Gregor Schwehr

Studium der Politikwissenschaft und Philosophie an der Universität Wien. Beschäftigung mit Politischer Philosophie und der Geschichte des Politischen Denkens, vor allem mit Antiker Politischer Philosophie und deren moderner Rezeption. Mitwirkung bei IAPSS im Bereich der academic network coordination und als co-chair im Political Theory student research council.

Affektive Vernunft

Der Arbeitstitel „Affektive Vernunft“ exemplifiziert den Versuch, den Gegensatz von Rationalität und Sensibilität infrage zu stellen, der die philosophische Debatte seit jeher durchzieht und zu deren Spaltung in einander gegenüberstehende Denkschulen – den Empirismus und den Idealismus – er wesentlich beigetragen hat. Am Beispiel der Phänomenologie und deren Unterfangen diesen Konflikt zu überwinden, soll auf die notwendige Verflechtung der beiden Sphären hingewiesen werden. Keine Vernunft kann überleben ohne affektiven Gehalt. Kein Begriff der Affektion kann entstehen ohne der Vernunft. In Berufung auf Maurice Merleau-Ponty’s Texte, die gewissermaßen als eine Weiterführung des Husserl’schen Werks gelesen werden können, soll dargelegt werden, inwieweit jede Subjektivität bereits eine Welt voraussetzt, der sie angehörig ist und innerhalb derer sie lediglich situiert ist, sodass alle Reflexion über das In-der-Welt-Sein den Stein ihres Anstoßes in den Grenzen finden muss, die sie erst ermöglichen. Das bedeutet, dass die Idee einer reinen Vernunft frei aller weltlichen Bindungen zur Unmöglichkeit wird, da jegliche Intellektualisierung der Affekte unvollständig und provisorisch bleiben muss. Die Vernunft muss von nun an als dynamisch verstanden werden, als ständiges Oszillieren zwischen einer Objektivität die stabile Begrifflichkeiten erschafft und einem Erlebnisfluss, der dieser einerseits das Rohmaterial liefert, sie aber genauso in ihren Grundfesten erschüttern kann. Für unser Konzept der Vernunft hat dies wesentliche Konsequenzen: Nicht mehr kann sie als transzendentes Ideal gedacht werden und sich der Affekte erhaben glauben, sie muss sich der Grenzen ihrer Objektivität bewusst sein und in der Lage sein, Affekte zuzulassen, die diese sowohl bestätigen als auch bedrohen können. Sie muss ihre Kontrolle verlieren dürfen.

Björn Puhr

Björn Puhr ist in Wien auf die Welt gekommen, flugs aufs Land gebracht worden und nach einem Zwischenstopp in der Kleinstadt wieder in Wien gelandet, wo er nach einer von politischem Aktivismus geprägten Zeit ein Philosophiestudium begann, im Zuge dessen auch ein Abstecher nach Paris drin war. Zurück nach Wien, ging‘s alsbald auch – diesmal für den Master – zurück nach Paris, wo er, stets in Erwartung neuer Abstecher, auch heute wohnt.

Laura Greber und Paul Sperneac-Wolfer

(Transnational) Futures in the Making – The symbolics of German(y) in German Schools in Romania

Im folgenden Vortrag beschreiben wir einige Aspekte und Resultate unserer Forschung an deutschen Schulen in Rumänien. „Uns“ beinhaltet Laura Greber, die sich aus einer soziolinguistischen Perspektive heraus mit der symbolischen Bedeutung des Deutschen in Rumänien beschäftigt, sowie Paul Sperneac-Wolfer, der aus einer anthropologischen Perspektive den soziohistorischen Kontext des Schulalltags beleuchtet. Zusammen gehen wir der Frage nach, I) welche Bilder, Vorstellungen, Symboliken und Imaginationen des Deutschen an deutschsprachigen Schulen in Rumänien existieren, II) inwieweit Zugehörigkeiten von Schüler*innen im Schulumfeld produziert und verhandelt werden, sowie III) ob uns dies etwaige Rückschlüsse auf die Problematiken der heutigen rumänischen Gesellschaft liefern kann. Zu diesem Zweck diskutieren wir einige Ausschnitte aus 8 narrativen Interviews, die im Laufe des Jahres mit Schüler*innen und anderen Akteur*innen geführt wurden. Ziel ist, die soziohistorischen und lokalen Spezifika von Schulbesuch sowie die Bedeutung herauszuarbeiten, die das Deutsche in transnationalen Kontexten haben kann.

Laura Greber und Paul Sperneac-Wolfer

Laura Greber beschäftigt sich aus einer soziolinguistischen Perspektive heraus mit der symbolischen Bedeutung des Deutschen in Rumänien. Paul Sperneac-Wolfer beleuchtet den soziohistorischen Kontext des Schulalltags aus einer anthropologischen Perspektive .

Lea Herzig

Gewerkschaften und Antisemitismus – Eine Untersuchung des kollektiven Gedächtnisses des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Mit dem 21. Parlament der Arbeit im Jahr 2018 bestätigte der Deutsche Gewerkschaftsbund sein seit Jahren gelebtes Bekenntnis zum Antifaschismus. Seit 1949 ist der DGB der Dachverband seiner heute acht Mitgliedsgewerkschaften. Doch wie hat sich nach den Erfahrungen im Nationalsozialismus dieses antifaschistische Selbstverständnis im DGB entwickelt? Und welche Leitlinien gibt dieses für den heutigen Umgang der deutschen Gewerkschaften mit aktuellen Formen des Antisemitismus, innerhalb der Gesellschaft, aber gerade auch innerhalb der Organisationen selbst? Und lässt sich ein Ideal für die zukünftige Gewerkschaftsarbeit gegen rechte Einstellungen in der Gesellschaft in der Zukunft finden? Es gilt einen Teil des kollektiven Gedächtnisses der deutschen Gewerkschaften zu ergründen. Mit einem zeithistorischen Ansatz wird dabei die Zeitspanne auf die neueste Geschichte seit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes 1949 begrenzt. Die Theorie vom kollektiven Gedächtnis geht dabei auf Maurice Halbwachs zurück und wurde zudem durch Jan und Aleida Assmann, sowie Alexander und Margarete Mitscherlich weitergeführt. In einer inhaltskritischen Analyse sollen Quellen der gewerkschaftlichen Verbandsarbeit genauer untersucht werden. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf Beschlusstexten, Sitzungsprotokollen und Pressemitteilungen. Die antifaschistischen und anti-antisemitischen Beschlusslagen des DGB und die bisherige Erinnerungsarbeit erwecken den Eindruck, dass Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit nicht in den deutschen Gewerkschaften vorkommen. Die Einstellungsforschung zeichnet allerdings ein anderes Bild, daher ist davon auszugehen, dass es eine Diskrepanz zwischen der beschlussfassenden Funktionärsebene und der Ebene der „einfachen“ Mitglieder gibt.

Lea Herzig

Abgeschlossenes Bachelorstudium in der Geschichtswissenschaft und Judaistik an der Freien Universität Berlin, außerdem Masterabschluss „Interdisziplinäre Antisemitismusforschung“ von der Technischen Universität Berlin. Seit 2019 Doktorandin am Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin zum „Umgang des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit Antisemitismus, seit 1949“. Forschungsinteressen: Erinnerungsgeschichte, Forschung zu Antisemitismus, Arbeiterbewegung und Gewerkschaften.

lea.a.herzig@campus.tu-berlin.de

Katharina Stückradt

More formalization – less discrimination? A field experiment in the United Kingdom on how requirements in job advertisements affect bias in hiring

Previous research unequivocally shows the existence of discrimination in the labour market, mostly focusing on the disadvantages experienced by ethnic minorities as well as gender disparities. In order to investigate when discrimination occurs, we investigate the organizational context and draw on the idea that formalization of organizational practices acts as a closure mechanism. Specifically, we pay attention to the very first phase of the hiring process and investigate how the specification of job requirements in the job vacancy text impacts whether employers make biased hiring decisions based on group stereotypes derived from applicants’ ascriptive traits. We use data from the United Kingdom subset of the Growth, Equal opportunities, Migrations and Markets (GEMM) study. These data allow us to investigate discrimination on the basis of ascribed ethnicity and gender. Results from linear probability models show considerable discrimination against applicants signaling a nonwestern origin, as well as disadvantages experience by men of the UK majority population applying for jobs in female dominated occupations. Discrimination is, however, hardly mitigated by the formulation of formal job requirements in the vacancy. These results support the notion that employers in the UK base hiring decisions on a normative concept of applicants’ perceived employability rather than applicants’ formal qualifications.

Katharina Stückradt

Katharina Stückradt ist Doktorandin der Soziologie an der Universität Amsterdam. In ihrer Forschung fokussiert sie sich auf den Einfluss organisatorischen Kontexte auf Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Hierzu nutzt sie Correspondence Studies und Survey Experimentelle Designs. Katharina studierte in Köln, Bradford, Utrecht und Amsterdam. Sie beendete ein Bachelorstudium in Sozialwissenschaften und ein Masterstudium in Soziologie und Sozialforschung.

Daniela Wölfle

Digitalisierung und digitale Verwaltung an österreichischen Universitäten

Die Digitalisierung an Hochschulen ist seit ein paar Jahren ein aktuelles und sehr präsentes Thema. Durch die einschneidenden Ereignisse durch Covid-19 ist es deutlich geworden, dass es Digitalisierung in allen Bereichen der Hochschule benötigt, sowohl in der Lehre, Forschung und insbesondere in der Verwaltung, die alle Bereiche einer Hochschule verbindet. Der Weg zu einer digitalen Hochschule findet sich in den unterschiedlichen Publikationen der Hochschulen, wie der Leistungsvereinbarung mit dem Ministerium, den Entwicklungsplan aber vor allem in den künftigen Digitalisierungsstrategien, die im Laufe des Jahres 2020 veröffentlicht werden sollen. Um die Digitalisierung im Hochschulbereich besser zu verstehen, wurden in dieser Arbeit die Hintergründe für die umfassenden Digitalisierungsmaßnahmen untersucht sowie die angemerkten Dokumente hinsichtlich dieser Digitalisierungsvorhaben untersucht. Ebenso wurden rechtliche Aspekte und Vorgaben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung berücksichtigt. Ziel war es einen Überblick über die drei Volluniversitäten in Österreich, Graz – Innsbruck – Wien, zu geben hinsichtlich der Vorstellungen und Pläne die Digitalisierung betreffend, welche Vorhaben bereits umgesetzt wurden und Vorhaben, die geplant sind.

Daniela Wölfle

Daniela Wölfle BA BEd studierte Germanistik sowie Lehramt Deutsch und Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung an der Universität Wien. Danach absolvierte sie das Masterstudium Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Donau-Universität Wien. Sie beschäftigt sich mit dem Digitalisierungsprozess in der universitären Verwaltung sowie mit Themen aus dem Bereichen Hochschulrecht und dem europäischen Hochschulraum, insbesondere mit dem Bologna-Prozess.

Claudia Smonik

Job im Griff. Smartphones und die Bewältigung des Grenzbereichs zwischen Arbeit und Privatleben

Innerhalb der letzten 15 Jahre wurde durch die Entwicklung und Verbreitung von Smartphones eine neue Dimension des flexiblen, von Raum und Zeit entgrenzten Arbeitens ermöglicht. Die ständige Konnektivität lässt Grenzen zwischen Arbeit und anderen Lebensbereichen verschwimmen und neue Strategien zur Trennung der beruflichen und privaten Sphäre kommen zum Tragen. Der Vortrag behandelt die Frage, wie Personen, die ein Smartphone als Kommunikations- und Informationstool für die Erwerbsarbeit benutzen, diese Grenzziehung zwischen Berufs- und Privatleben bewerkstelligen. Die Basis dafür liefert eine Fallstudie, die in einem österreichischen Unternehmen durchgeführt wurde. Im Zentrum stehen Beschäftigte im Finanzbereich der Organisation, die regelmäßig bestimmte Tätigkeiten außerhalb der üblichen Arbeitszeiten und außerhalb der räumlichen Umgebung des Unternehmens per Smartphone ausüben. Es wurde herausgearbeitet, wie in Interaktion mit Technologie und in Orientierung an Bedingungen der Organisation individuelle Grenzen gesetzt, erhalten und rekursiv in die Organisationsstrukturen eingeschrieben werden. Die Grenzziehungen werden somit als soziomaterielle Prozesse betrachtet und analysiert. Es wird gezeigt, wie die Erwerbsarbeit anhand physischer, technischer, zeitlicher und sachlicher Kriterien sowie durch explizite Kommunikation vom Privatbereich getrennt wird. Die Abgrenzungsprozesse werden von den Personen als Anforderungen des Berufs und individuelle Leistung gesehen. Das Smartphone liefert dabei nicht nur einen Beitrag zur Entgrenzung von Arbeit, sondern bietet auch Mechanismen zur Kontrolle des Arbeitsablaufs und der Lebensführung im Allgemeinen.

Claudia Smonik

Claudia Smonik studierte Kultur- und Sozialanthropologie sowie Soziologie mit dem Schwerpunkt Arbeit und Organisation an der Universität Wien. Sie forscht zu Zukunftsperspektiven in der Arbeitswelt, Technologie & Digitalisierung in Organisationen sowie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Beruflich befasst sie sich des Weiteren mit der Analyse von IT-Geschäfts- und Konzernprozessen und ist an internationalen Projekten beteiligt.

Franziska Gürtl

Sociotechnical imaginaries: Eine diskursanalytische Perspektive auf das „Arbeitsmarktchancen-Assistenzsystem“ des AMS

Das Arbeitsmarktchancen-Assistenzsystem (AMAS bzw. „AMS-Algorithmus“) kategorisiert erwerbsarbeitslose Menschen nach ihren prognostizierten Arbeitsmarktchancen in drei Gruppen. AMAS wird seit Oktober 2018 in einer öffentlichen medialen Debatte heftig kritisiert. In meinem Beitrag behandle ich diese Debatte theoretisch aus Perspektive der Science and Technology Studies sowie der Critical Algorithm Studies und methodisch aus Perspektive der wissenssoziologischen und argumentativen Diskursanalyse (Keller 2011; Hajer 2004).
Dabei analysiere ich zum einen, welche sociotechnical imaginaries (Jasanoff 2015) den Diskurs prägen. Es zeigt sich, dass es zwei zentrale Diskurskoalitionen gibt, die konträre Zukunftsvisionen vertreten: AMS-Vertreter*innen imaginieren eine Zukunft der objektiven, effizienten Verteilung von Ressourcen und geringer Arbeitslosigkeit. Demgegenüber stellen kritische Stimmen eine dystopische Vision einer Welt in den Raum, die geprägt ist von diskriminierenden Handlungen eines maschinellen Systems, dem die AMS-Berater*innen nicht zu widersprechen wagen.
Zum anderen betrachte ich AMAS als Dispositiv (vgl. Keller 2011: 258), in welches kontingente institutionalisierte Wissensregime über den Arbeitsmarkt eingeschrieben sind. AMAS ist ein prognostisches System, das anhand von historischen Daten Aussagen über die Zukunft produziert und die Welt damit nach bewährten Wahrnehmungsformen strukturiert. Dabei wird die Zukunftsvision der institutionellen AMS-Perspektive in Form einer Technologie materialisiert. Anschließend diskutiere ich, inwiefern algorithmische Systeme in diesem Sinn als „herrschaftsförmige soziotechnische Erkenntnistechnologien“ (Prietl 2019: 316) verstanden werden können.
Im August 2020 entschied die österreichische Datenschutzbehörde, den Einsatz des Systems zu untersagen. Damit dient AMAS auch weiterhin als Rahmen für die Debatte darüber, welche sociotechnical imaginaries realisiert werden sollen.

Franziska Gürtl

Franziska Gürtl studiert Soziologie und Germanistik an der Universität Graz. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der Science and Technology Studies, der Kommunikationssoziologie und soziologischer Praxistheorien. Derzeit arbeitet sie an der Technischen Universität Graz an einem Forschungsprojekt zu den Auswirkungen der coronabedingten Digitalisierung auf die universitäre Forschung, Lehre und Verwaltung mit. Darüber hinaus ist sie am Schreibzentrum der Universität Graz als Schreib-Peer-Tutorin tätig.

Philipp Kurt Sutanto

Human Enhancement im Horizont Helmuth Plessners Anthropologie

Als Reaktion auf das (transhumanistische) Postulat, dass die Technologien des Human Enhancement das menschliche Dasein derart fundamental erschüttern, dass nicht mehr vom Menschen gesprochen werden könne und der Humanismus seine Legitimation verloren habe, diskutiert der Vortrag die Frage, inwiefern Praxen des Human Enhancement im Horizont Helmuth Plessners Konzepts der Exzentrischen Positionalität als Subjektivierungsprozesse verstanden werden können.
Einer hermeneutischen Methodologie folgend werden sieben Thesen der wechselseitigen Sinngebung von Subjektwerdung und Human Enhancement aufgestellt und hinsichtlich ihrer Gültigkeit und Einschränkungen diskutiert.

Schwerpunkt des Vortrags soll die Konklusion der Arbeit sein, die 1) dem Human Enhancement einen dialektischen Charakter attestiert, 2) vor den Gefahren eines Habitus des Selbsthasses warnt und 3) einen Blick auf die tautologische Zweck-Mittel-Umkehrung wirft.

Philipp Kurt Sutanto

Studierte bis 2020 Bildungswissenschaft mit einem allgemeinpädagogischen Schwerpunkt an der Uni Wien, einem Erasmusjahr an der TU Darmstadt und einigen Lehrveranstaltungen aus der Philosophie und insbesondere der STS-Studies. Primäres Studieninteresse war die wissenschaftstheoretische Konstitution der Bildungswissenschaft, aktuelle Interessen liegen in der Theorie und Empirie institutionalisierter Bildung, der Professionalisierung und Qualifizierung von TutorInnen sowie dem Verhältnis von Pädagogik und Technik. Mit November 2020 tritt er eine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Helmut Schmidt Universität der Bundeswehr in Hamburg an.

Leonie Dworsky und Zsófia Koós

Vertrauen und Soziale Medien. Individuelle und politische Chancen und Risiken

Die Sozialen Medien dienen mittlerweile als wichtigster, virtueller Raum des zivilen und politischen Austauschs. Durch unsere extensive Präsenz und Teilhabe auf sozialen Medien, stellen diese mittlerweile eine herausragende Rolle für die individuelle aber auch die gesellschaftliche Sozialisation dar. Laufend neue technische Innovationen prägen immer stärker unsere Lebenswelt und rufen durch ihre Opazität unweigerlich Unsicherheiten und Bedenken über unabsehbare zukünftige Folgen hervor.

In der Arbeit werden dabei wichtige Fragen innerhalb des Systembereichs „Technik“ soziologisch beleuchtet. Anhand theoretischer Grundlagen wie Hurrelmanns Sozialisationstheorien und des Vertrauensbegriffs bei Niklas Luhmann, sollen Aspekte des Vertrauens und Risikos dargestellt werden und wie sich dies in digitaler Kommunikation äußert.

Hierbei kommt die Frage auf, inwiefern sich die digitale zwischenmenschliche Kommunikation auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt und wie sich dieses Verhältnis makrostrukturell konstituiert. Was zeichnet subjektives Vertrauen und Misstrauen innerhalb der digitalen Kommunikation aus? Welche individuellen und politisch wünschenswerten systemischen Auswirkungen können sich aus einem (mangelnden) Vertrauen ergeben?

Die Chance eines offenen und demokratischen Austausches auf sozialen Medien, wird dem Risiko gegenübergestellt, dass selektierende und meinungsverzerrende Algorithmen innerhalb sozialer Medien einen potentiellen Untergang von Demokratien nach sich ziehen. Führt demnach die Präzedenz des wirtschaftlich-technischen Systems somit zu einem schwindenden demokratischen Diskurs und eher hin zur politischen Radikalisierung, welche durch Filterblasen und den daraus resultierenden Konfrontationen mit einseitigen Meinungen verstärkt wird? Welche Bedingungen müssen gegeben sein, um im virtuellen Raum die Demokratie zu schützen?

Leonie Dworsky und Zsófia Koós

Leonie Dworsky und Zsófia Koós sind im letzten Jahr ihres Bachelorstudienganges Soziologie an der Universität Wien. Seit einem Jahr beschäftigen sie sich mit Vertrauen und Demokratie im Rahmen des Forschungspraktikums ‚Sicherheit und Vertrauen‘. Zu ihren beiden Forschungsinteressen gehören sozialkonstruktivistische Theorien, Techniksoziologie und soziale Ungleichheiten. In Zukunft werden sie sich im Rahmen eines Masterstudienganges weiterhin diesen interdisziplinären Themen widmen.

Oliver Pollex

The potential of Micro-Targeting in Italian electoral campaigns

The way how political campaigns are conducted has changed substantially within the last decade. A significant trend in political communication is the use of social media in combination with micro-targeting techniques. Through micro-targeting politicians and political parties try to identify the right target audience and spread their specific political messages. These personalized advertisements are nuanced to reflect the way in which the audience sees the world, regarding values, attitudes and behavior. It is difficult to reliably define the relevance and scope of micro-targeting, because no comprehensive study has proved its effectiveness (Jungherr, 2017) and political actors are not required to publicly give notice of the use of micro-targeting in their campaigns. With the assumption that micro-targeting is an effective tool for communication with the electorate, the presentation analyses, if the conditions for a wide scale application of micro targeting in the German electoral process do or do not exist. The analysis is based on three indicators: data availability (such as in the protection of personal data through a legal framework), indecisiveness of the electorate (such as the volatility of election results) and the use of social media. The Analysis will show that the conditions for a wide scale application of micro-targeting in Germany exist mostly for the big internet platforms such as Google and Facebook. Political parties and other smaller entities will therefore in the future be driven to rely on the micro-targeting services offered by big internet platforms for political advertisement. Jungherr A. (2017) Einsatz Digitaler Technologie im Wahlkampf. Schriftreihe Medienkompetenz 10111: 92–101.

Oliver Pollex

Oliver Pollex studies political sciences at the Technical University of Munich, the Bavarian School of Public Policy and the Università di Pavia. His research focuses on the influence of digital technologies such as artificial intelligence, machine learning or social media on politics and society. He also concentrates on algorithmic analyses of big data to answer questions regarding political science