Clarissa Aeschlimann

Divided we Stand, Together we Change – Diskursive Verläufe der Energiewende in der Nordwestschweiz

Die Energiewende ist ein komplexes Thema und deren sozioökonomischen Herausforderungen sind vielfältig. Diese Thematik wird von einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure diskutiert, die gegensätzliche Interessen vertreten. Geprägt von gegenwärtigen Debatten, Abstimmungsgegenstände oder markante Ereignisse, wandeln sich Ansichten im Laufe der Zeit. Die Fukushimakatastrophe war in dieser Hinsicht ein ausschlaggebender Vorfall, der dazu führte, dass außerordentlich schnell effektive Maßnahmen im Energiesektor ergriffen wurden. Am Beispiel einer betroffenen schweizerischen Region untersucht diese Studie, wie sich die Wertevorstellungen und Argumentationen im Zusammenhang mit dem Energiewandel zwischen 2006 und 2019 entwickelt haben und sich gleichgesinnte Akteursgruppen infolgedessen neu konfiguriert haben. Die Entstehung und Wandlung eines gemeinsamen Verständnisses der Energiewende wurde erfasst. Ausgehend von einem exklusiven Zusammenhang mit dem Nuklearausstieg ist mittlerweile Energiewende praktisch nur mit erneuerbaren Energien und Klimaneutralität assoziiert. Zudem wurde beobachtet, wie sehr dieses Thema am politischen Geschehen gebunden ist und inwiefern strategisches Kommunizieren eine Rolle spielt, um manchen Dissidenten zu überzeugen, die Energiewende zu unterstützen.

Clarissa Aeschlimann

Clarisse Aeschlimann studierte Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Universität Freiburg (Schweiz) und hat anschliessend in der Universität Neuenburg einen interdisziplinären Master in Innovation und Gesellschaft vervollständigt. Zu ihre Forschungsinteressen gehören Wissenschaftskommunikation, Meinungsbildungs- sowie Medienwirkungsforschung.

Lenny Liebig & Elisa Kullmann

Das Zentrum für Politische Schönheit als Produzent alternativer Wahrheiten

 

Vor unserer aller Augen bedienen sich öffentliche Diskurse zunehmend alternativer Wahrheitsstrategien und etablieren dabei einen affektiven Umgang mit Fakten. In diesem Zusammenhang erfährt der Begriff postfaktisch seit 2016 mit dem Einzug rechtspopulistischer Parteien in demokratische Institutionen eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Dennoch sind die Mechanismen als Risiken und Möglichkeiten, die postfaktisch als Begriff beinhalten schon immer Teil einer Gesellschaft und ihrer Kommunikation. Auch künstlerischer Aktivismus bedient sich dieser Strategien, die anhand der Aktion Flüchtlinge Fressen (2017) des Zentrums für Politische Schönheit exemplarisch diskutiert werden sollen. Die Aktion wird vor dem Hintergrund der künstlerischen Freiheit befragt. Die Aufarbeitung politischer Themen in den Inszenierungen des Zentrums stellen alternative Realitätskonstruktionen dar. Im Vortrag wird untersucht, welche Wahrheitsansprüche das Zentrum stellt und ein Vergleich mit Schlingensiefs künstlerische Strategien hergestellt. Die Art und Weise der Aufarbeitung des politischen Diskurses in der Aktion Flüchtlinge Fresse (2017) kann insgesamt als postfaktisch bezeichnet werden. Dies wird insbesondere im affektiven Umgang mit Fakten und der populistischen Darstellungsweise der Inszenierung deutlich. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit mithilfe der Strategien des Zentrums ein Diskurs eröffnet werden kann, um auf die in der Aktion behandelten Themen aufmerksam zu machen?

Lenny Liebig & Elisa Kullmann

Elisa Kullmann studierte Spanische Philologie an der Westfälischen-Wilhelms Universität und Kunst an der Kunstakademie Münster. Sie schloss 2018 ihr Studium mit den Abschlüssen Master of Education sowie Freie Kunst ab. Von 2018-2019 absolvierte sie ihr Meisterschülerstudium bei Professorin Julia Schmidt an der Kunstakademie Münster. Lenny Liebig studiert Germanistik, Kunst und Sozialwissenschaft an der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster, Kunstakademie Münster und der Ruhr-Universität Bochum im Master of Education. 2019 leiteten Elisa Kullmann und Lenny Liebig gemeinsam mit Paula Fröhlich die interdisziplinäre Tagung After the Fact. Aus philosophischer, germanistischer, politikwissenschaftlicher, sozialwissenschaftlicher und künstlerischer Perspektive wurde das Phänomen „Postfaktizität“, welches im Umgangssprachlichen eine selbstverständliche Anwendung erfährt, genauer betrachtet und diskutiert. In diesem Kontext wurde insbesondere der Frage nachgegangen, wie sich zeitgenössische Kunst zu den aktuellen Entwicklungen im affektiven Umgang mit Fakten verhält.

Colin Kaggl

Zur ideologischen Anpassung der Psychoanalyse im Nationalsozialismus

 

Die Psychoanalyse war nicht nur eine der ersten Disziplinen, die sich mit dem Antisemitismus auseinandersetzte, sondern ist bis heute wohl eine der wichtigsten, um die subjektive Seite dieses Phänomens zu erfassen. Als aufklärerisches Projekt stellt sie außerdem eine genuin kritische Theorie dar.
Dennoch war die Psychoanalyse in Deutschland keineswegs davor gefeit in das politische System des Nationalsozialismus integriert zu werden. Nach der Arisierung, d.h. dem Zwangsausschluss der jüdischen Mitglieder, wurden die verbliebenen Psychoanalytiker_innen zusammen mit den Vertreter_innen der anderen psychotherapeutischen Schulen an das gleichgeschaltete Deutsche Institut für Psychotherapie und psychologische Forschung, das sogenannte Göring-Institut angegliedert. Dieses Institut wurde später von der Deutschen Arbeitsfront und anderen NS-Stellen finanziell gefördert und ab 1939 als kriegswichtig eingestuft. Während sich die Psychotherapie in jenen Jahren institutionalisieren und professionalisieren konnte, wurden für die Psychoanalyse einschneidende Veränderungen notwendig.
Der Vortrag geht der inhaltlich-ideologischen Anpassung an den NS nach und deckt dabei neben einer oftmals postulierten Professionalisierung der Psychotherapie in erster Linie Nützlichkeitsbekundungen und eine enorme Untergebenheit der verbliebenen arischen Analytiker_innen auf. Anhand der Originalschriften werden Revisionen und ideologische Anpassungen, die aus einer kritischen Theorie und eines Projekts der Aufklärung ihr Gegenteil machten, nachgezeichnet. Insbesondere Erhaltung und Erzeugung einer arbeitsfähigen und leistungsstarken Volksgemeinschaft war nun erklärtes Ziel. Ab 1938 wurden zudem vermehrt auch rassenhygienische Impulse deutlich.

Colin Kaggl

Colin Kaggl studiert derzeit Soziologie und Politikwissenschaft in Wien.

Franziska Lamp

Ehevermittlung als bevölkerungspolitisches Experiment des nationalsozialistischen Regimes

Die Masterarbeit, auf der dieser Vortrag basiert, widmet sich der Frage, inwiefern das nationalsozialistische Regime durch die Gründung von Ehevermittlungsstellen und die Errichtung der sogenannten „Briefzentrale des Reichsbundes Deutsche Familie“ versuchte, in die Ehepartner- und Ehepartnerinnenwahl seiner Bevölkerung einzugreifen. Dadurch sollen neue Erkenntnisse im Bereich der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ und Bevölkerungspolitik gewonnen werden. Den Vorstellungen der nationalsozialistischen Eugenik entsprechend, wurde von jeder Bürgerin und jedem Bürger erwartet, die „Stärkung“ des „Volkskörpers“ als oberste Pflicht zu erachten. Die Historikerin Annette Timm schreibt hierzu: „Matchmaking […] reinforced the medicalized, patriotic definition of marriage that we have observed in other eugenic practices.” (Politics of fertility, 2010, 155) Auch die nationalsozialistische Ehevermittlung orientierte sich demnach an den perfiden Regeln der „Erb- und Rassenpflege“. So gab es für die unterschiedlichen Zielgruppen eigene Vermittlungsstellen. Dies betraf einerseits die vom Regime als „erbkrank“ stigmatisierten und deshalb zwangssterilisierten Personen, andererseits die als gesund erachteten „Volksgenossen“ und „Volksgenossinnen“ – wozu auch Kriegsversehrte und sogenannte „Kriegerwitwen“ zählten. Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der Heterogenität der Zielgruppen, die Rolle von Ehevermittlung für die nationalsozialistische Bevölkerungspolitik aufzuzeigen. Die zwei Schlüsselbegriffe, die diese Arbeit dabei thematisiert, sind „Volksgemeinschaft“ und Zwangssterilisation. Der hierfür zu untersuchende Quellenkorpus setzt sich einerseits aus innerbehördlichen Dokumenten zusammen, andererseits aus Zeitschriften- und Zeitungsartikeln, in denen Fragen rund um die Einrichtung von „rassenhygienischen“ Ehevermittlung- bzw. Eheanbahnungsstellen diskutiert werden.

Franziska Lamp

Franziska Lamp, BA BA studierte im Bachelor Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft und befindet sich nun am Ende ihres Masterstudiums der Geschichte an der Universität Wien. Zu ihren Forschungsinteressen gehören die Geschichte des Nationalsozialismus (mit Fokus auf die nationalsozialistische Bevölkerungspolitik, die Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie die Zwangsarbeiter*innenforschung), Displaced Persons, Erinnerungskultur(en)/-politik(en) und Praktiken der Transitional Justice. Sie war außerdem lange in der Kulturvermittlung tätig und beschäftigt sich gerade u.a. mit der Methode der Oral History.

Mail: franziska.lamp@univie.ac.at

Sophie Liepold

Archiv zweiter Ordnung? Heimrad Bäckers nachschrift

Die beiden Bände der nachschrift (1986 und 1997) des österreichischen Autors und Verlegers Heimrad Bäcker zitieren und montieren Schriftstücke des Nazi-Terrors, der juristischen und historiographischen Aufarbeitung sowie Texte von Opfern und Überlebenden. Als Archiv zweiter Ordnung im Medium der Literatur speichern sie Wissen, das durch ein dreifaches Verweissystem (Zitat, Kürzel, Literaturangabe) einen Raum öffnet, der durch die Ordnung und die Reihenfolge der Zitate konfiguriert ist. Die nachschrift ist dabei nicht nur Abbildung einer bürokratischen, totalitären Herrschaft und literarische Dokumentation des „Verwaltungsmassenmordes“ (Hannah Arendt), sondern legt mittels Verfahren der konkreten Poesie konkrete Formen des bürokratischen Machtapparates frei. Ihre eigentümliche „écriture“ (Roland Barthes) ergibt sich durch die Kombination von Dokumentation, Konkretion und Reproduktion durch Zitat und Montage. Mittels Beschreibung paradigmatischer Textstellen steht diese spezifische literarische Praxis im Fokus. Einen weiteren Teil der Textgenese zeigen die drei Registerhefte aus dem Nachlass Bäckers: das Sprachmaterial ordnend, stellen sie ein Regelwerk dar, das eine wichtige Rolle bei der Selektion der Quellen und der Transformation der Dokumente in Literatur spielt. Das „System nachschrift“ (Heimrad Bäcker) wird durch die von den Registerheften ausgelegten Schreibspuren hypertext-artig miteinander verknüpft; Zusammenhänge zwischen den Quellentexten, der nachschrift und ihren Vor-Texten finden sich außerdem in seriellen Formen wie Listen. Die Ubiquität und Familienähnlichkeit bürokratischer „Aufschreibesysteme“ (Friedrich Kittler), die in der nachschrift befragt werden, ergibt sich aus der Kombination der Texte unterschiedlicher Perspektive, denen Bäcker als „schreiber“ begegnet. Diese Aspekte habe ich in meiner Masterarbeit unter textgenetischer Perspektive untersucht.

Sophie Liepold, MA.

Studium der Deutschen Philologie an der Universität Wien und der Humboldt-Universität zu Berlin.

Kontakt:
sophie.liepold@univie.ac.at

Sven Langkabel

(Un)Sichtbar: Schnittstellen von Stadtplanung, öffentlichem Raum und Sozialem Ein ethnographischer Film über die Seestadt Aspern im Zeitraum von 2018-2020

Der sich seit 2010 in Bauphase befindliche und zum 22. Wiener Gemeindebezirk zugehörige Stadtteil ‚Seestadt Aspern’ ist eines der größten und aktivsten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Bis 2030 soll sich die Gesamtfläche auf ca. 240 Fußballfelder ausdehnen und für 20.000 Personen Raum für Wohnen und Arbeiten anbieten. Große und schnelle Anbindungsoptionen an Bahnhöfe, Flughafen und Stadtzentrum sind im Ausbau. Smart City, Urban Lab, Green Logistics, Holz-Hybridbauweise, Hightech, Industrie 4.0, Shared Space, Urban Gardening, Ausbildung und Inklusion, Mobilität der Zukunft, Religion und Dialog – Die Seestadt scheint ein hoch innovatives Projekt zu sein, in dem moderne Ansätze im Bereich Wohnbau, Energie, Mobilität und Soziales erprobt und umgesetzt werden sollen. Future in Progress. Was ist öffentlich, halböffentlich und was ist privat? Handelt es sich um einen privaten Innenhof, eine Durchgangszone oder um öffentlichen Raum? 

Der ethnografische Film, welcher im Zuge meiner Masterarbeit in der visuellen Soziologie entstanden ist, befasst sich mit kritischen Perspektiven auf Wandel und Fortschritt und durchleuchtet dabei die Schnittstellen von Stadtplanung, öffentlichem Raum und Sozialem. Grenzen verschwimmen. Was ist öffentlich, halböffentlich und was ist privat?

Dabei soll auf den architektonischen Entwurf eines ‚perfekten’ Gefängnis (Panopticon) von Jeremy Bentham und die angelehnten Theorieentwürfe zum Panoptismus von Michel Foucualt und Postpanoptikum von Zygmunt Bauman eingegangen werden und vor allem der potentielle permanente Sichtbarkeitszustand im Bereich der öffentlichen Räume thematisiert werden.

Sven Langkabel

Schon in meinem Bachelorstudium der Soziologie und Politikwissenschaften an der Universität Kassel habe ich jede Chance genutzt, um das klassische A4-Format verlassen und das Sprachrohr der Soziologie durch (audio)visuelle Medien verlängern/ergänzen zu können. Ich habe an soziologischen Rundgängen und an Dokumentarfilmfestivals teilgenommen und auch meine ethnografische Abschlussarbeit bestand aus einem großen Teil aus Film und Bildern (wenn leider auch nur als Anhang). Der seltene und recht neue Forschungsschwerpunkt ‚Visuelle Soziologie’ hat mich somit an die Universität Wien gebracht. Neben tieferer theoretischer und methodischer Auseinandersetzung mit der visuellen Soziologie wurde mir auch hier Platz für fotografische und filmischen Arbeiten, sowie eine Installationen im Ausstellungsformaten angeboten. Zurzeit befinde ich mich in meiner Abschlussphase des Masterstudiums und möchte Ihnen im Zuge dieser Fachtagung zur Kommunikation meinen ethnografischen Film zeigen und Sie herzlich zur Diskussion einladen.

Anna Mayer

Who shapes the Digital Soft Power of e-estonia?

Mapping the #e-residency community on Twitter Through a Social Network Analysis

By the year 2022, more than 60% of the global GDP will be generated digitally. Over the next ten years approximately 70% of new value created in the global value creation will be based on digitally enabled platforms [World Economic Forum 2019]. On December 1, 2014, the Republic of Estonia launched its e-residency program. The initial goal of this policy program is the empowerment of entrepreneurs worldwide, independently of their political and economic background and it lifted Estonia’s reputation to the next level in business and tech circles worldwide [Antson 2019].

The program became a crucial part of the Estonian’s marketing strategy [Kimmo et al 2018]. For this, the planned conference poster will answer the following questions with a gender-sensitive approach: Who shapes the discussion about e-residency on the social media platform Twitter?

Researching on e-residency online and in particular on Twitter is of interest for various reasons.
So far, there is only a small body of literature on the e-residency available [i.a. Aavik et al. 2017, Tammpuu et al. 2019]. Additionally, there has not yet been published any analysis of the online discourse about e-residency in popular data banks or journals. For this, it appears that no in-depth pertinent research has been done on the matter despite its significance. Besides this, previous research already analysed the strong connection between political communication and Twitter [Stieglitz et al 2017].
Understanding the actors and their networks which shape the online exchange on Twitter is an important contribution for a) creating an understanding of the Estonian online nation marketing network and to b) to deepen research on one aspect of inclusive e-initiatives such as the e-residency program.

Michael Feichtinger

Akzelerierte Städte: Urban Citizenship und die Stadt als Topos der Zukunftsproduktion

Mit dem Begriff der Autopoiesis wird die Eigenschaft von Systemen charakterisiert, sich mittels „ihrer eigenen Dynamik als unterschiedlich vom umliegenden Milieu [zu] konstituier[en]“ [1]. Ähnlich wie eine sich derartig selbst herstellende Einheit kann auch die Praxis des Urban Citizenship verstanden werden. Als selbstermächtigendes bottom-up Projekt [2] erzeugt sie durch eine rein immanente Organisation nicht nur ein neues Innen, sondern auch einen Rand bzw. eine Grenze – und damit nicht zuletzt ein Außen. So wird ein lokal begrenzter Raum geschaffen, in dem neue, unmittelbare Handlungsmöglichkeiten eröffnet werden.

Dennoch lässt sich, kritischer gewendet, vermuten, dass das Projekt Urban Citizenship unter das „folk-political thinking“ [3] fällt – so bezeichnen Nick Srnicek und Alex Williams die Tendenz der Linken zu Emanzipations- und Widerstandsstrategien, die sich durch Lokalität, Unmittelbarkeit und Nichtskalierbarkeit auszeichnen. Diese Charakteristika würden, so Srnicek und Williams, im Weiteren dazu führen, dass ein gegenhegemoniales Projekt als Alternative zum globalen Kapitalismus durch derartig mikropolitische Emanzipationsstrategien unerreichbar bleibt.

In meinem Vortag werde ich akzelerationistische Potentiale im Konzept des Urban Citizenship kartographieren, welche letztlich verhindern, dass dieses als umfassende Widerstandsstrategie in gegenwärtigen Mikrowiderständen kollabiert. Dafür arbeite ich sowohl räumliche als auch zeitliche akzelerationistische Potentiale des Urban Citizenship heraus. Erstere beziehen sich vor allem auf die Beschleunigung der Differenzmaschine Stadt und die subversive Aneignung der technologischen Infrastruktur. Das zeitliche akzelerationistische Potential zeige ich anhand der Produktion neuer Zukünfte durch das Urban Citizenship.


[1] Maturana, Humberto R./Varela, Francisco J. (2009): Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln der menschlichen Erkenntnis. Berlin: Fischer, 54.
[2] Schilliger, Sarah (2018): Urban Citizenship. Teilhabe für alle – da, wo wir leben. In: Aigner, Heidrun/Kumnig, Sarah [Hg.]: Stadt für Alle! Analysen und Aneignung. Wien: Mandelbaum, 21.
[3] Srnicek, Nick/Williams, Alex (2015): Inventing the Future. Postcapitalism and a World without Work. London/New York: Verso, 9.

Michael Feichtinger

Michael Feichtinger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand in Chemie am Vienna Biocenter. Außerdem studiert er Philosophie und Theater-, Film- und Medienwissenschaften im Master. Zurzeit finalisiert er seine Masterarbeit zu Félix Guattaris Ökosophie, in welcher er den konzeptuellen Rahmen von Guattaris ökosophischem Denken als fruchtbare Position im Anthropozändiskurs stark macht.

Neueste Publikationen: Feichtinger, Michael (2019). The Obstinate Real: Barad, Escobar, and Object-Oriented Onto-logy. Open Philosophy, 2 (1), 86-97.
Feichtinger, Michael (2019). Akzeleration der Prekarität: Analyse neuer Emanzipationsmodelle im kognitiven Kapitalismus mit Gilles Deleuze und Félix Guattari. Momentum Quarterly -Zeitschrift für sozialen Fortschritt, 8 (1), 26-40.

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Paul Distler

„Aber wenn er nicht betrunken is, is er eh ganz lieb“ –
Sinnhafte Orientierungsstrukturen von Jugendlichen beim (Mit-)Erleben des elterlichen Konflikts

Die epistemologische Grundausrichtung der Bachelorarbeit orientiert sich an einem (neo-) phänomenologisch-kulturphilosophischen Ansatz (Slunecko, 2008, 2017), der eine oppositionelle Alternative zum statistisch-naturwissenschaftlichen Hauptstrom der Psychologie darstellt und dafür appelliert, bei der Analyse einer sinnhaft verfassten Menschenwelt die Forschenden in den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess miteinzubeziehen. Den (meta-)theoretischen Rahmen bildet Pierre Bourdieus soziale Praxeologie mit dem theoretischen Schlüsselkonzept des habitus. Im Einklang mit dieser Denk- und Analysehaltung steht die Methodologie der rekonstruktiven Sozialforschung. Sie macht die Praxis und das Wissen der sozialen AkteurInnen zu ihrem Ausgangspunkt und rekonstruiert ausgehend davon jene (gesellschaftlich konstruierten) Sinnstrukturen, die das Handeln der AkteurInnen anleiten und orientieren (Riegler 2015, S. 63f). Mittels einer Narrationsanalyse von 5 biographisch-narrativen Interviews, die mit 14-jährigen Wiener MittelschülerInnen geführt wurden, wird der Frage nachgegangen, wie sich die sinnhaften Orientierungsstrukturen von Jugendlichen durch das (Mit-)Erleben des elterlichen Konflikts konstituieren. Die Arbeit basiert hierbei auf der Annahme, dass die kindliche Entwicklung und das Wohlbefinden von Jugendlichen direkt und indirekt  von  dem  Kontext  abhängen,  den  die  Beziehung  der  Eltern  zueinander  für  das Sozialisationsklima bildet, und dass darin Faktoren wie einer chronischen Konfliktlage oder einer Trennung bzw. Scheidung eine große Bedeutung zukommt (Betram 2009, S. 183). Die Arbeit kommt mitunter zu dem Ergebnis, dass der elterliche Konflikt für die Jugendlichen eine Bedrohung der idealtypischen Vorstellung eines konfliktfreien Familienlebens darstellt. Beim Versuch einer ursächlichen Erklärung für den elterlichen Konflikt stützen sich die Jugendlichen auf  widersprüchliche  und  reduktionistische  Argumentationen,  die  sowohl  oft  eine  starke Diskrepanz zu den praktischen Handlungen der involvierten AkteurInnen aufweisen, als auch die Tendenz, sich auf familienexterne Einflüsse zu beziehen.

Litertaturverweise:

Bertram, Hans & Birgit Bertram (2009) Familie, Sozialisation und die Zukunft der Kinder. Verlag Barbara Budrich: Opladen & Farmington Hills

Riegler, Julia (2015) Wenn Sex schmerzt. Biografische und soziale Genese einer sogenannten „Sexualstörung“. Psychosozial-Verlag: Gießen

Slunecko, Thomas (2017) Beobachtungen auf der eigenen Spur. Bemerkungen zu einem für die Wiener kulturpsychologische Schule charakteristischem Motiv. In: Kulturpsychologie in Wien. 1. Auflage, S. 27-55. facultas: Wien

Slunecko, Thomas (2008) Von der Konstruktion zur dynamischen Konstitution. Beobachtungen auf der eigenen Spur. 2. Auflage, facultas: Wien

Paul Distler

Mail: paul-distler@gmx.de

Studienrichtung: Soziologie (abgeschlossenes Bachelorstudium), Psychologie (3 Semester) jeweils an der Universität Wien

Forschungsinteressen: Körpersoziologie, kritische Theorie, Pierre Bourdieu, qualitative Methoden