Miriam Metze

Das Begehren des Öffentlichen
Analyse des Facecook-Subjekts im Vergleich mit antiken Selbsttechnologien

Um besser zu verstehen, mit was für einer Art von Öffentlichkeit(en) wir es gegenwärtig zu tun haben, bedarf es einer Analyse jenes Subjekts, welches im Zentrum derselben steht. – Nur so wird es möglich sein, zu gangbaren Alternativen und Ausstiegsszenarien zu gelangen. Welches Subjekt also wird hier bespielt, was für ein Begriff von Menschsein wird – im Sinne Althussers – „angerufen“?
Warum gibt dieses Subjekt so gerne und so viel von sich preis? Am Beispiel der Praktiken von Facebook soll Deleuzes Beschreibung der heute herrschenden Machtverhältnisse als „Kontrollgesellschaften“ plausibilisiert werden, um den Konnex zwischen den Begehrensstrukturen des Subjekts des Web 2.0 und den soziopolitischen Gegebenheiten nachzuvollziehen.
Mit Wiedemann und Foucault wird der homo oeconomicus als ontologische Grundlage des Facebook-Subjekts identifiziert und der Figur des stultus von Seneca gegenübergestellt. So werden Potenziale, aber auch Grenzen der Engführung der Facebook-Praktiken mit antiken Selbsttechnologien offenbar.
Mit dem homo oeconomicus begegnen wir einer Figur, die das Ende einer offen interventionistischen Politik ausruft, wohingegen die stoische Erziehung stark auf die Interventionen des Lehrers setzt. Die inoffizielle, affektive Mobilisierung der Subjekte begünstigt – in diametralem Gegensatz zur stoischen Lehre – die Verringerung der Reflexionsmöglichkeiten über die eigenen Emotionen und führt damit zu einer erhöhten Beeinflussbarkeit, bzw. Regierbarkeit der Subjekte.
Die differentia specifica des Facebook-Subjekts gegenüber dem homo oeconomicus liegt in der Unterbrechung der Unmittelbarkeit sozialer Kontakte – und in der Entstehung von „Beobachtungskreisen“: Das Surfen auf Facebook ist ein Beobachten, wie andere beobachten, wie man sich selbst beobachtet. Die Zurückgeworfenheit des Subjekts auf sich selbst – auch und besonders im Umgang mit der/dem Anderen – führt in eine Nivellierung der Dimension der Alterität.

Miriam Metze

Studienrichtung: Philosophie
Forschungsinteressen: Heideggers Sprachphilosophie, Nietzsche, Foucault, Agamben, jüdische Mystik
Derzeit MA-Arbeit zum Thema „Zeugnis und Zeugenschaft bei Martin Heidegger“ bei Prof. Kurt Appel
Veröffentlichungen:
         „Die apophantische Tautophasis. Eine Querlesung von Heideggers Zeit und Sein und einigen Besonderheiten der hebräischen Grammatik“, in Existentia. Meletai Sophias. XXVI (1-2), 2016, 2-24.
        in Druck: „Auf der Suche nach Rettendem. Ethisch-politische Implikationen der Philosophie Giorgio Agambens im Dialog mit Martin Heideggers „Humanismus“-Brief und dem Spiegel-Interview“ in: Existentia. Meletai Sophias. XXVII, 2017.
Miriam.metze@univie.ac.at

Lioba Schlösser

(Un)Sichtbarkeit im Kinofilm
Transgressive Momente als Sichtbarmachung des Abjekts

„Es gibt immer eine Grenze, auf die sich das Wesen einstellt. Es identifiziert diese Grenze mit dem, was es ist. Entsetzen fasst es bei dem Gedanken, daß die Grenze zu existieren aufhören könnte. Aber wir täuschen uns, wenn wir die Grenzen und das Einverständnis des Wesens mit ihr ernst nehmen. Die Grenze ist da, um aufgehoben zu werden.“  [1]

Der Vortrag thematisiert das Abjekt, das abstoßende Andere, das über die Leinwand immer wieder Eingang in die Öffentlichkeit findet. Er widmet sich der Frage, welche Möglichkeiten und Gefahren mit dem Tabubruch solcher Darstellungen einhergehen. Alle Thesen werden filmanalytisch an Beispielszenen aus den Filmen TRANSCENDENCE (2014), WHEN ANIMALS DREAM (2014), SPLICE (2010), EYES WIDE SHUT (1999) und ORLANDO (1992) evaluiert.
Der Vortrag verortet sich diskursanalytisch im Spannungsfeld zwischen Kultur- und Geschlechterwissenschaften (Butler), Filmanalyse (Stiglegger), Performativitätstheorien (Wulf/Fischer-Lichte) und Mythentheorien (Eliade/van Gennep/Turner). Er untersucht, wie im Film thematisierte Tabubrüche von transgressiven Strukturen (Bataille) durchzogen werden und mimetisch angelegte, gesellschaftliche Normen repräsentieren (Bourdieu). Darstellungen des Abjekts werden im Hinblick auf den Moment der Transgression, der filmisch oft nicht sichtbar ist, analysiert. Jene Augenblicke, in denen der Tabubruch nicht gezeigt wird, weil das Visualisieren selbst einen Tabubruch darstellen würde, stehen im Mittelpunkt. Abschließend soll herausgestellt werden, mit welchen Strategien Filme abjekte Inhalte dennoch zugänglich machen. Neben der Nutzung der Sensationslust der Zuschauenden scheinen weitere, komplexere Strategien angewandt zu werden, die es zu entschlüsseln gilt.

[1] Bataille, Georges (1994): Die Erotik. Mathes & Seitz, München: 139.

Lioba Schlösser

Kurzbiografie:
Doktorandin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz schreibt an ihrem Dissertationsprojekt mit dem Arbeitstitel „Perspektiven filmischer Überwindung der bipolaren Geschlechternorm durch Rückgriffe auf mythisches Potenzial“. Studierte Literatur-,
Kultur- und Medienwissenschaft sowie der Medienkultur mit Schwerpunkt Filmwissenschaft und Geschlechterwissenschaften an der Universität Siegen. Momentan als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der DEKRA Hochschule für Medien in Berlin beschäftigt. Aktuelle Forschungsschwerpunkte liegen auf kulturtheoretischen Betrachtungen des Androgynen in Film und Mythos, Queerstudies, Geschlechterwissenschaften und Körpertheorie.

Publikationen:
Schlösser, L. (2017). „Denn meine Schmach vermag zu tragen außer mir kein Sterblicher“:
Zum Tod des Queeren als gesellschaftsbildendes Opfer. Ohne Ort. Abgerufen von
http://www.ffk-journal.de/?journal=ffk-journal&page=article&op=view&path%5B%5D=27,
Zugriff am 23.07.2017.
Schlösser, L (2017). Mythos und Lückenschluss: Mythen als Vermittler innerhalb filmischer
Diegese. Ohne Ort. Abgerufen von http://www.ffk-journal.de/?journal=ffkjournal&page=article&op=view&path%5B%5D=8, Zugriff am 23.07.2017.

Kai Schubert

Das Verhältnis von „Israelkritik“ und Antisemitismus
Wissenssoziologische Diskursanalyse einer Forschungskontroverse in Deutschla
nd und Großbritannien 

Die Kontroverse über die Unterscheidbarkeit von antiisraelischen bzw. „israelkritischen“ Handlungen  einerseits und antisemitischen andererseits wurde vor dem Hintergrund einer vielerorts anzutreffenden Abneigung gegen Israel besonders heftig geführt, auch in der Antisemitismusforschung. Im Zuge der Diskussionen um einen „Neuen Antisemitismus“ in Europa werden immer wieder konkrete Kriterien des israelbezogenen Antisemitismus formuliert, besonders prominent die „Working Definition of Antisemitism“ des European Union Monitoring Center on Racism and Xenophobia. Die hier genannten Beispiele für israelbezogenen Antisemitismus jedoch z.T. umstritten. Das Forschungsinteresse entspricht einer wissenssoziologchen „Beobachtung der Beobachter“. Mittels einer qualitativen Diskursanalyse wird untersucht, welche Besonderheiten das  wissenschaftliche Wissen über aktuellen Antisemitismus auszeichnet. In die Analyse wurden deutsche und britische Forschungsarbeiten einbezogen, weil über Antisemitismus in besonderem Maße in diesen beiden Ländern diskutiert wird und weil ein maximaler Kontrast zwischen beiden Diskursen zu erwarten ist. Es wurde ein Korpus von 99 wissenschaftlichen Arbeiten der Erscheinungsjahre 2003 bis 2017 erstellt, welche die Kriterien für die Unterscheidung von Kritik an Israel und Antisemitismus diskutieren. Im Anschluss wurden abgrenzbare Diskurspositionen identifiziert. An ausgewählten Texten wurde eine Feinanalyse durchgeführt, wobei insbesondere die Deutungsmuster, Phänomenstrukturen und Klassifikationen betrachtet wurden: Was wird als Problem identifiziert? Welche Begriffe werden zur Beschreibung des Problems verwendet? Was wird als normativ illegitim klassifiziert? Auf die gewonnenen Erkenntnisse zurückgreifend wurde abschließend der gesamte Diskursstrang untersucht. Die Darstellung erfolgt anhand ausgewählter Ergebnisse, wobei der Schwerpunkt auf den Abweichungen der beiden Diskurse liegen wird, die auf nationalspezifische Diskursverläufe verweisen. 

Kai Schubert

Studium der Politikwissenschaft und der Judaistik/Jüdischen Studien (B.A. 2014) sowie der Interdisziplinären Antisemitismusforschung (M.A. 2017) in Berlin und Potsdam. Von 2015 bis 2017 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für die Fachdidaktik der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsinteressen: Antisemitismus, Rassismus und Antiziganismus, Islamismus, Debatten über Vorurteile, Kritische Theorie, Methoden der Vorurteilsforschung.  
Veröffentlichungen: „Judentum und Holocaust in sozialistischen Erinnerungskulturen. Ein Vergleich der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien mit der SBZ/DDR“, in: Studentische Fachzeitschrift für Politikwissenschaft (2017) 1, S. 45-57; „Feindbilder des Nationalsozialismus. Ein Vergleich von modernem Antisemitismus und Antiziganismus als projektiver Identifizierung“, in: Passauer Journal für Sozialwissenschaften 5 (2016) 2, S. 62-75.
Email: schubertresearch@gmx.net

Tilman Klawier

Feindbilder, Verschwörungstheorien und Populismus in „alternativen“ Online-Medien
Eine triangulative Frame-Analyse 

Ausgangslage der vorgestellten Studie ist die Entstehung einer medialen ‚Gegenöffentlichkeit’, deren Gemeinsamkeit häufig in der Konstruktion von Feindbildern sowie dem Gebrauch von Verschwörungstheorien und Populismus gesehen wird. Ziel ist es, diese Aspekte systematisch aufzuarbeiten und inhaltsanalytisch zu untersuchen. Dazu werden die drei Phänomene aus theoretischer Perspektive näher betrachtet und ihre Überschneidungen untereinander hervorgehoben. Argumentiert wird zudem, dass sich Feindbilder, Verschwörungstheorien und Populismus in Form von Frames manifestieren und als solche erforschen lassen. Für jedes Phänomen wird daher eine Integration in den Framing-Ansatz nach Entman (1993) vorgenommen und ein generisches Grundmuster hergeleitet. Der Kern dieser Muster liegt in der Konstruktion einer sozialen Dichotomie, indem gesellschaftliche Probleme auf das Wirken einer Outgroup zurückgeführt werden, die vermeintlich die Absicht verfolgt, damit der eigenen Ingroup oder einer Solidaritätsgruppe zu schaden.  

Für die empirische Analyse der Frames wurde ein triangulatives Verfahren angewandt. Dabei wurden zunächst Zufallsstichproben von drei ‚Alternativmedien’ und einem Vergleichsgegenstand anhand eines quantitativen Kategoriensystems codiert. Durch die Bildung von Indizes wurden dann die vorab entworfenen Grundmuster auf abstrakter Ebene rekonstruiert und mit anderen Variablen in Beziehung gesetzt, um sie inhaltlich zu konkretisieren. Signifikante Zusammenhänge, die dabei festgestellt werden konnten, wurden anschließend einer qualitativen Analyse unterzogen, um sie vertiefendend zu interpretieren. Auf diese Weise ließen sich drei zusammenhängende Frames identifizieren, die auf den Grundmustern basieren und einen übergeordneten ideologischen Deutungshorizont der ‚Alternativmedien’ offenbaren.

Tilman Klawier

 

tilman@klawier.de 

Abgeschlossenes Bachelorstudium in Medienmanagement an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover 

aktuell: Masterstudium Kommunikationsforschung mit Schwerpunkt auf politische Kommunikation sowie wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni Erfurt

Richard Bärnthaler

Well-Ordered Science
A Desirable Vision or an Escapist Fallacy?

In my talk, I will critically discuss Philip Kitcher’s concept of ‚Well-Ordered Science.‘ Kitcher (2011, p. 105) asks, „If contemporary Science, and the public system of knowledge in which it is embedded, is to serve the purposes of the citizens of a democratic society, what kinds of investigations should be pursued?“ Kitcher’s panacea is tutoring since he locates the trouble spot in a ‚vulgar‘ – or untutored – democracy. I will discuss two problematic aspects of Kitcher’s vision of the public-science interface. First, the concept of tutoring implicitly assumes the existence of the Scientific Knowledge (with a capital S and K); it ‚black-boxes‘ the process of knowledge production. As a consequence, Kitcher implicitly assumes that value judgments only play a role in choosing kinds of investigations. I conclude that the Scientific Knowledge does not exist. In line with feminist scholars such as Martin, Hrdy, or Douglas I argue that the process of knowledge production does and should include non-epistemic values and value judgments; in other words, the production of scientific knowledge must not exclude the demos to not fall into a state of ‚disciplined democracy.‘ Such a conception furthermore demonstrates the flawed understanding of tutoring, which represents a linear transfer of knowledge from science to society and follows an ideal of control. Secondly, I will show that the idea of a rational consensus – as proposed by Kitcher – is fundamentally misleading. A rational consensus cannot exist; moreover, even as an ideal, such a conception undermines pluralism and democracy by tendency.

Richard Bärnthaler

 

Richard Bärnthaler is currently living in Vienna. He has a master’s degree in Socio-Ecological Economics and Policy from the Vienna University of Economics and Business, where he also held a teaching assistant position at the Research Institute Multi-Level Governance and Development. Richard is currently pursuing a master’s degree in History- and Philosophy of Science (University of Vienna) and is working at the Institute for Development Studies (University of Vienna) as well as at the Research Institute Multi-Level Governance and Development (Vienna University of Economics and Business). Richard also studied in the US (Bentley University) and Japan (Hitotsubashi University). His research focus and interests are related to the Sociology of Scientific Knowledge (‚The Strong Programme‘), Relativism, Social Epistemology, Science and Technology Studies as well as Political Philosophy.

Manuel Mayrl

Manns genug? 
Personalisierung und gender conflict framing in der Medienberichterstattung zum Nationalratswahlkampf 2017

„Sei ein Mann: Wähl eine Frau.“ Dieser Slogan der Grünen, welcher die ungleichen Geschlechterverhältnisse thematisieren soll, ließ gleich zu Beginn des Wahlkampfes die Wogen hoch gehen. Wie schon bei den Nationalratswahlen 2013 stellen auch dieses Jahr Spitzenkandidatinnen die Ausnahme dar.  Lediglich drei der 13 kandidierenden Parteien haben eine Frau auf dem ersten Listenplatz stehen. Diese ungleiche Verteilung und die offensive Thematisierung auf Wahlplakaten rücken das Geschlecht der Kandidat_innen im Wahlkampf in den Fokus und fordern somit eine genderreflektierende Untersuchung ein. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass der dichotome Charakter von Geschlecht als Strukturkategorie über das biologisch konzipierte Geschlecht – und das Verhältnis von bipolar gedachten Körperlichkeiten von Frauen und Männern in politischen Institutionen – hinaus geht. Geschlecht ist performativ und wird unter anderem über eine vergeschlechtlichte Sprache verhandelt. In Anlehnung an Meredith Conroys Konzept des gender conflict framing werden deshalb potentielle mediale Zuschreibungen von vergeschlechtlichten (Charakter)Merkmalen an die Spitzenkandidat_innen in den Blick genommen. Die Datengrundlage für diese Untersuchung bildet eine quantitative Inhaltsanalyse der Medienberichterstattung von elf regionalen und überregionalen Print- und TV Medien in Österreich. Die Stärke dieses Ansatzes für eine genderspezifische Untersuchung der Wahlkampfberichterstattung zur Nationalratswahl in Österreich liegt in der Analysemöglichkeit der Implikationen von Gender nicht nur zwischen den stark unterrepräsentierten Spitzenkandidatinnen und ihren männlichen Pendants, sondern auch zwischen den männlichen Kandidaten. 

Manuel Mayrl 

 

manuel.mayrl@student.uibk.ac.at 

Masterstudium Gender, Kultur und Sozialer Wandel an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck 

Forschungsinteressen: Wahlforschung, kritische Männlichkeitsforschung, Rechtsextremismus- und Antisemitismusforschung

Teresa Haberbusch

Der Kampf um das junge Publikum
– Eine qualitative Studie zum Medienwandel im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
 

Mit dem Aufkommen globaler Video-on-Demand-Anbieter wie Netflix und Amazon am deutsch­sprachigen TV-Markt, hat sich der Wettbewerb, speziell um das junge Publikum, für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verschärft. Mit der Öffnung des Marktes, dem Wegbrechen technischer und rechtlicher Zugangsbarrieren und dem damit einhergehenden veränderten Rezeptionsverhalten, verlagerte sich die Nutzung weg von einer Sender- hin zu einer Plattform-Ebene (vgl. Sommer, von Rimscha 2014: 251f).  Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kommen zunehmends unter Legitimationsdruck. Denn was passiert, wenn Institutionen, deren Auftrag die gesamtgesellschaftliche Versorgung mit Unterhaltungs­angeboten ist, ein wesent­licher Teil ihrer Zielgruppe – das junge Publikum – abhandenkommt? 

Diese Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, wie die AkteurInnen im Bereich der fiktionalen TV-Serienproduktion im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich und Deutschland diesen Medienwandel selbst wahrnehmen und welche Handlungen und Strategien dadurch abgeleitet werden. 

Methodisch wurde auf Grund der starken dynamischen Veränderungsprozesse im Untersuchungsfeld und der kaum vor­handenen Forschung im fiktionalen TV-Produktionsumfeld ein qualitativer Zugang gewählt. Empirisch und analytisch orientiert sich die Studie am methodologischen Verständnis der Grounded Theory (Strauss, Corbin 1996). Als Untersuchungsdesign wurden Experteninterviews mit einem teil-struk­tur­­ier­ten Leit­fa­den festgelegt, wobei 8 ExpertInnen aus den Bereichen der fiktionalen Redaktion und Programmplanung im ORF, ARD und ZDF, sowie 2 externe ProduzentInnen in 3 Erhebungswellen befragt wurden. 

Die Untersuchung zeigt, dass länderübergreifend die AkteurInnen die neuen VoD-Dienste zwar als Konkurrenz empfinden, der Medienwandel die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor allem aber positiv beeinflusst hat. Die teils starren Strukturen der Sender brechen auf, Veränderungsprozesse werden angeregt und die am Markt stattgefunden Innovationsprozesse aufgegriffen. Unterhaltungsproduktionen werden gezielt online angeboten, um die Jungen dort abzuholen, wo sie längst zu Hause sind: im Netz.

Teresa Haberbusch

Teresa Haberbusch studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Soziologie auf der Universität Wien. In ihrer Magisterarbeit beschäftigt sie sich mit Veränderungsprozessen in der fiktionalen TV-Serienproduktion aus Sicht der handelnden AkteurInnen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie interessiert sich für die Forschungsbereiche Medienwandel, Mediensoziologie und qualitative Sozialforschung. Seit 2014 ist sie als Tutorin am Institut tätig, hauptberuflich arbeitet sie als Junior Producerin und Lektorin bei Fernsehproduktionen. 

Email: teresa.haberbusch@univie.ac.at

Nicole Najemnik

Politische Partizipation von Frauen im digitalen Feld der Kommunalpolitik 
Eine Analyse der Einflussfaktoren auf die Beteiligung an kommunalen Online-Partizipationsprozessen 

In Anbetracht eines rasanten digitalen Wandels, der zunehmend alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst und neue Inklusions- sowie Exklusionsmechanismen manifestiert, ist es von zentraler Bedeutung sicherzustellen, dass alle Mitglieder der Gesellschaft gleichberechtigt an diesem Wandel teilnehmen und auch in einer digitalen Demokratie ihre Interessen vertreten können. Deshalb versucht das Dissertationsprojekt der Frage nachzugehen, welche Einflüsse auf die politische Partizipation von Frauen im digitalen Feld der Kommunalpolitik wirken.Zur Beantwortung der leitenden Fragestellung sollen Bourdieus Theorien zu Feldern, Kapitalsorten und Habitus herangezogen und für die Verwendbarkeit in der digitalen Sphäre modifiziert und erweitert werden. Dabei soll kommunale Online-Partizipation als digitales Feld konzeptualisiert werden, in dem Akteur_innen mit unterschiedlichen Kapitalsorten aufeinandertreffen. Die Möglichkeit der politischen Partizipation online von Akteur_innen wird dabei als abhängig vom Vorhandensein verschiedener Kapitalsorten verstanden. Als konkretes Fallbeispiel soll die politische Online-Partizipation von Frauen in der Stadt Köln untersucht werden, da diese bereits eine Vielzahl von Online-Partizipationsverfahren durchgeführt hat und den Bürger_innen ein breites Angebot der Online-Beteiligung zur Verfügung stellt. Um die zur Beantwortung der leitenden Fragestellung notwendigen Daten zu erheben sollen problemzentrierte und leitfadengestützte Interviews geführt werden. Als Auswertungsmethode wird die Grounded Theory  herangezogen. Für das Sampling ergibt sich daraus, dass nach dem Prinzip der theoretischen Sättigung und der Fallkontrastierung gearbeitet werden soll.

Nicole Najemnik

Nicole Najemnik ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im NRW Fortschrittskolleg Online-Partizipation. Sie studierte Internationale Entwicklung in Wien, Ankara und Mexiko-Stadt und schloss ihr Magisterstudium mit Auszeichnung ab. Seit dem Sommersemester 2016 ist sie Lehrbeauftragte am Zentrum für Gender Studies der Universität zu Köln. In ihrer Diplomarbeit setzte sie sich kritisch mit türkischen Frauenbewegungen und Feminismen aus einer postkolonialen Perspektive auseinander. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen neben Online-Partizipation außerdem Cybergewalt, Digitale Ungleichheit sowie Inklusion und Digitalisierung. In ihrer politikwissenschaftlichen Promotion setzt sie sich mit der politischen Partizipation von Frauen im Internet auseinander. Ihre E-Mail Adresse lautet nicole.najemnik@fhoev.nrw.de 

Benjamin Heurich

Freundschaft im Expertensystem Facebook 
Öffentliche Gemeinschaftlichkeit im Digitalen Wandel  

Der Social Network Service (SNS) Facebook hat den Freundschaftsbegriff in den letzten Jahren grundlegend neu definiert. Freundschaftsbeziehungen, als freiwillig eingegangene zwischenmenschliche Reziprozitätsbeziehung, unterlagen weitreichenden, normativen Veränderungen, die der immensen Informationsfülle und kontextabhängiger Entscheidungskontingenzen im Zuge der Digitalisierung Rechnung trugen. Zwischenmenschliche Beziehungen wurden in der Internetöffentlichkeit neu kalibriert und erhielten als Folge der raum-zeitlichen Auflösung sozialer Kontexte neue Bewertungskategorien und Orientierungspunkte. Von Beginn an wurde dem sozialen Netzwerk daher auch kritisch vorgeworfen, das zwischenmenschliche Beziehungsgefüge aufzuweichen und paradoxerweise dadurch sogar zur Vereinsamung der Gesellschaftsmitglieder zu führen. 

Der Vortrag setzt sich in diesem Zusammenhang weniger zum Ziel, die intrinsische, zwischenmenschliche Zuneigung vor einem vermeintlichen Verfall der Werte zu retten, als vielmehr einen Wandel dieser Werte entlang eines modernen Freundschaftsbegriffs für die interne Öffentlichkeit einer digitalen Weltgesellschaft herauszustellen und diese Neuordnung einer kritischen Prüfung zu unterziehen bzw. ursächlich begreifbar zu machen. Vor dem Hintergrund der Theorie der Reflexiven Moderne wird gezeigt, dass sich Facebook als ein Expertensystem beschreiben lässt, in welchem sich der Freundschaftsbegriff, angetrieben und unterstützt von symbolischen Werten (Likes, Emojies, Hashtags etc.), modernen netzkulturellen Dynamiken gestellt hat und neue Wertigkeiten für eine digitale Weltgesellschaft bildete, indem er sich in fortschrittsorientierte soziale Kontexte rückkoppelte. Die deskriptive Aushandlung mündet in einer kritischen Analyse öffentlich ausgelebter Gemeinschaftlichkeit und einer systemtheoretischen Einordnung des Freundschaftsbegriffs für die digitale Gesamtgesellschaft. 

Benjamin Heurich

Promovend in den Fachbereichen Sozialphilosophie, Medienphilosophie & Allg. Pädagogik 
Dissertationsthema (Arbeitstitel): Wissen, Wandel, Widerstand. Die sozio-kulturelle Neuordnung digitaler Gemeinschaftlichkeit 
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik (seit 2016) & am DFG-Graduiertenkolleg 1681/2 “Privatheit und Digitalisierung“ (seit 2015) 

benjamin.heurich@uni-passau.de

Rebecca Söregi

Ex/inclusive by Design
Die Camden Bench im Diskurs über „hostile architecture“

Unter dem vor allem in Online-Medien kolportierten Schlagwort ‚hostile architecture‘ werden verschiedene Designstrategien zusammengefasst, die als unerwünscht geltende Handlungen im öffentlichen Raum – beispielsweise Schlafen auf der Straße oder Skateboarden – unterbinden sollen. Im Unterschied zu anderen verhaltensbeeinflussenden Designstrategien im öffentlichen Raum wendet sich der Einsatz von ‚hostile architecture‘ meist gegen spezifische, teilweise marginalisierte Personengruppen, beispielsweise Obdachlose. 
Ein prominentes Beispiel für ‚hostile architecture‘ ist die sogenannte Camden Bench – eine im innerstädtischen London platzierte Straßenbank, die laut Designer*innen-Team Praktiken wie Schlafen, Skateboarden, Vermüllung und Tagging/Spraying vereiteln soll (vgl. Quinn 2014; Factory Furniture 2017). Seit der ‚anti-homeless spikes controversy‘ im Jahr 2014 wird die Camden Bench regelmäßig zu Illustrationszwecken für ‚hostile architecutre‘ herangezogen und ist somit mittlerweile ein Sinnbild eines Diskurses über soziale Kontrolle im öffentlichen Raum durch Design. 
Unter Bezugnahme auf die Actor-Network Theory soll die Camden Bench in diesem Vortrag als Ko-Akteurin in einem Netzwerk von Politiker*innen, Designer*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen, Performance-Künstler*innen und Benutzer*innen analysiert werden. Die Camden Bench wird dabei als Strategie des Camden Borough Councils verstanden, die den Benutzer*innen ein Handlungsskript nahelegt, welches im Gebrauch jedoch nicht zwangsläufig realisiert werden muss. Vorläufige Ergebnisse der Untersuchung sind, dass vor allem journalistische und wissenschaftliche Akteur*innen die Camden Bench mit ‚hostile architecture‘ assoziieren, die soziale Kontrollfunktion des Objekts betonen sowie Taktiken und Aneignungspraktiken von ausgegrenzten Gruppen, Aktivist*innen und Künstler*innen inszenieren. Die Hersteller*innen der Camden Bench rücken das restriktive Design ihres Produktes in den Vordergrund und beschreiben die Bank gleichzeitig als sozial-inklusiven Gegenstand, der den Nutzer*innen Spielraum für verschiedene Verwendungsweisen lässt.

Rebecca Söregi

Rebecca Söregi studiert Anglistik, Germanistik und Philosophie an der Universität Wien und verfasst derzeit ihre Diplomarbeit, „Under Construction. The Camden Bench as a Hostile Object“, im Bereich der Cultural Studies am Department of English. Ihre Forschungsinteressen umfassen unter anderem Everyday Life und Popular Culture sowie Material Semiotics. 

Unterrichtsfach Englisch/Deutsch, BA Philosophie 

rebecca.soeregi@univie.ac.at